Daheim am Computer, Smartphone daneben. Eine Nachricht macht «ding!», eine andere «plopp». Noch schnell eine Antwort in den Chat, ein Mail verschicken. Der nächste Call beginnt, nebenher ein WhatsApp. Später kochen, essen, nochmals vor den Computer. Digitale Technologien prägen unseren Alltag. Die vielen kleinen Helfer machen uns effizienter und vernetzen uns mit der Familie, dem Freundeskreis, der Firma und der Welt. Zeitlich und örtlich arbeiten wir so flexibel wie noch nie. Diese digitale Freiheit hilft uns, private und berufliche Verpflichtungen besser zu vereinbaren. Doch sie schafft auch neuen Druck. Ständige Unterbrechungen, permanente Erreichbarkeit: Immer mehr Menschen fühlen sich im digitalen Dauerfeuer gestresst und erschöpft. «Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol ermöglichen uns körperliche und geistige Spitzenleistungen, etwa für einen Sprint oder eine wichtige Präsentation», sagt Erika Meins, Leiterin des Mobiliar Lab für Analytik an der ETH Zürich. Stresshormone sind eine gute Sache – allerdings nur für kurze Herausforderungen. «Stress am Arbeitsplatz dauert oft länger an und es fehlt der körperliche Abbau», sagt sie. «Positiver Stress wird zu negativem Stress, wenn wir nicht mehr abschalten können, wenn er chronisch wird.»
Maus misst Stress
Am Mobiliar Lab für Analytik wird seit 2018 zum verantwortungsvollen Umgang mit künstlicher Intelligenz und anderen neuen Technologien geforscht. Auch das Thema Stress ist ein Forschungsschwerpunkt. Bisher wurden digitale Arbeitsunterbrechungen meist nur hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Arbeitsleistung und Produktivität erforscht. Im Lab wurde erstmals bewiesen, dass sie sich auch auf die Menge des freigesetzten Cortisols auswirken – und damit auf die biologische Stressreaktion. Unter Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) gelang den Forschenden im Lab auch, lediglich mit Maus- und Tastaturaktivität Stress am Arbeitsplatz zu erkennen – ohne Smartwatch oder andere Geräte. Bewegt sich der Mauszeiger häufiger und zackig, ist das ein Hinweis auf Stress. Mit dieser Methode ist er sogar zuverlässiger erkennbar, als wenn nur die Herzrate aufgezeichnet wird. Stress zu messen, ist das eine, Strategien gegen chronischen Stress zu entwickeln, das andere: «In Bezug auf Stress können neue Technologien und künstliche Intelligenz gleichzeitig Teil und Lösung des Problems sein», erklärt Erika Meins. So hat das Lab ein Virtual-Reality-gestütztes Stressbewältigungstraining entwickelt. Dabei wird über die Atmung die eigene Herzaktivität kontrolliert. Sensoren messen, wie sich das Training auf die Herzfrequenz auswirkt. Sinkt diese, sinkt auch die Anspannung und in der virtuellen Landschaft der VR-Brille geht in Echtzeit die Sonne unter. Die damit erzielte körperliche Entspannung ist deutlich stärker als das gleiche Training vor einem normalen Bildschirm. Die technologische Begleitung wird unnötig, sobald die Methode einmal erlernt ist. Wenige Atemzüge genügen dann, um sich zu entspannen.
«Neue Technologien und KI können Teil und Lösung des Problems sein.»
Erika Meins
Leiterin Mobiliar Lab an der ETH Zürich
Kunst trifft Forschung
Wie sich das VR-Atemtraining anfühlt, testen Besuchende und Mitarbeitende zurzeit in einer Ausstellung am Hauptsitz der Mobiliar in Bern. Unter dem Titel «CTRL+ALT+RELAX, eine Ausstellung zum Durchatmen» vermischt sich Kunst mit digitalen Interaktionen. Speziell für die Ausstellung hat Mélodie Mousset das VR-Kunstwerk «Empathy Creatures» entwickelt, die auch an der Biennale in Venedig gezeigt wurde. Die französische Künstlerin, die in Zürich lebt und arbeitet, war «Artist in Residence» am Mobiliar Lab und hat sich für ihr Werk von dessen Stressforschung inspirieren lassen. In der Installation nehmen Besuchende mithilfe einer VR-Brille direkten Einfluss auf das Wohlbefinden einer virtuellen Kreatur, ähnlich dem Tamagotchi der 1990er-Jahre.
Technische Spielereien? Mitnichten. Erika Meins sieht grosses Potenzial beim Einsatz solcher Technologien fürs Stressmanagement. Im Lab werden weitere Anwendungen entwickelt, die beim Vorbeugen von chronischem Stress helfen sollen: eine App, die gezielte Muskelentspannung mit Biofeedback in VR-Technologie kombiniert, sowie eine sprachgesteuerte, personalisierte VR-Umgebung. Doch Technologie löst nicht alles. «Die richtige Balance beim Einsatz von Technologie ist wichtig», sagt Meins. «Zum Beispiel durch bildschirmfreie Pausen.» Neben einem guten Selbstmanagement stehen auch die Arbeitgeber in der Pflicht. «In unserer digitalen Arbeitswelt braucht es ein neues Verständnis für verantwortungsvolle Zusammenarbeit, etwa wenn es um Präsenzzeiten und störungsfreies Arbeiten geht.» Denn viel schneller als unsere von der Evolution geprägte Stressreaktion im Körper lässt sich die Arbeitskultur in einem Unternehmen weiterentwickeln.
«CTRL+ALT+RELAX, eine Ausstellung zum Durchatmen» am Hauptsitz der Mobiliar, Bundesgasse 35 in Bern, dauert noch bis am 31.12.2025. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 7.00–17.00 Uhr. Mehr Infos, auch zum Rahmenprogramm auf mobiliar.ch/relax
«Kleine Glücksmomente geben mir Energie»
Barbara Agoba, Personalchefin der Mobiliar, über Gesundheit im Arbeitsalltag.
Es gibt viele Arten, mit Stress umzugehen: ihn bekämpfen, vermeiden oder abbauen. Wie handhaben Sie dies?
Barbara Agoba: Am meisten hilft mir, dass ich im Moment präsent bin und mir immer wieder bewusst mache, wofür ich dankbar bin und sein darf. Die kleinen «Glücksmomente» im Alltag geben mir Energie, etwa ein guter Austausch im Team, der Sonnenaufgang, auch ein Spaziergang über Mittag oder das gemeinsame Abendessen mit meiner Familie. Und ich achte auf meinen Schlaf.
Wann ist Stress für Sie positiv?
Es macht mir beispielsweise Freude, wenn ich gemeinsam mit meinem Team schwierige Themen erfolgreich umsetzen kann. Die positiven Aspekte der Arbeit kommen heutzutage gerade auch in den Medien oft zu kurz. Dabei spielen beim Thema Gesundheit auch der soziale Austausch, der strukturierte Alltag, sich einbringen und entwickeln können eine zentrale Rolle.
Als Leiterin Human Resources haben Sie eine Fürsorgepflicht für die Mitarbeitenden. Was tut die Mobiliar, damit ihre Mitarbeitenden auch in stressigen Zeiten gesund bleiben?
Wir leben eine Unternehmenskultur, in der sich die Menschen auf Augenhöhe begegnen und einander wertschätzen. Wir schützen und respektieren die Persönlichkeit und die Gesundheit unserer Mitarbeitenden. Unsere Führungspersonen orientieren sich am gemeinsamen Führungsverständnis. Ausserdem hat die Mobiliar flexible Arbeitsbedingungen, damit die Mitarbeitenden ihr Berufs- und Privatleben auch nach ihren Bedürfnissen gestalten können.
Welche Hilfestellungen bietet die Mobiliar in der Praxis an?
Da gibt es eine breite Palette, etwa interne Kurse zum Thema Resilienz, zum Umgang mit Belastung und Stress oder Erste Hilfe für die psychische Gesundheit. Beim Team Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) unserer Tochter XpertCenter können unsere Mitarbeitenden – und auch externe KMU – Dienstleistungen rund ums Thema Gesundheit am Arbeitsplatz buchen. Und in der aktuellen Ausstellung entdecken sie spielerisch, wie virtuelle Realitäten aktiv zur Entspannung beitragen können.
Foto: die Mobiliar
Barbara Agoba
Personalchefin der Mobiliar
Deklaration: Dieser Inhalt wurde vom Sustainable Switzerland Editorial Team im Auftrag der Mobiliar erstellt.
Das könnte Sie auch interessieren
Gesellschaft
Eine Welt für Kinder
Gesellschaft
Die Erde als ein einziges System: Ursula Biemanns Projekte verändern den Blick auf unseren Planeten grundlegend
Wirtschaft
Hilfe, Sackgasse? Nein – auch im KI-Zeitalter kann man vieles studieren. Berufslehren gehen sowieso