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Activits protest against private jets at EBACE in Geneva

Bild: Thomas Wolf / Stay Grounded / Reuters

Klima & Energie

Das Klimaschutzgesetz auf einen Blick

Die Schweiz stimmt am 18. Juni über den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative ab. Ziel ist ein klimaneutrales Land bis 2050. Dazu sollen Hausbesitzer beim Ersatz ihrer fossilen Heizungen zusätzlich subventioniert und Unternehmen finanziell unterstützt werden.

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Es war ein Hammerschlag für die Schweizer Politik. Vor ziemlich genau zwei Jahren scheiterte das revidierte CO₂-Gesetz an der Urne. Dieses wollte mit neuen Umweltabgaben und strengeren Vorschriften den Treibhausgasausstoss bis 2030 gegenüber 1990 halbieren. Doch fast 52 Prozent des Stimmvolks lehnten die Vorlage ab. Jetzt kommt mit dem Klimaschutzgesetz die nächste kapitale Weichenstellung in der Klimapolitik an die Urne. Es handelt sich dabei um den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative.

Es war ein Hammerschlag für die Schweizer Politik. Vor ziemlich genau zwei Jahren scheiterte das revidierte CO₂-Gesetz an der Urne. Dieses wollte mit neuen Umweltabgaben und strengeren Vorschriften den Treibhausgasausstoss bis 2030 gegenüber 1990 halbieren. Doch fast 52 Prozent des Stimmvolks lehnten die Vorlage ab. Jetzt kommt mit dem Klimaschutzgesetz die nächste kapitale Weichenstellung in der Klimapolitik an die Urne. Es handelt sich dabei um den indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative.

1. Worüber stimmen wir ab?

Die Gletscherinitiative fordert ein Verbot von fossilen Brenn- und Treibstoffen bis 2050. Heizöl, Benzin, Diesel, Erdgas und Kohle dürfen ab der Jahrhundertmitte nicht mehr verwendet werden. Bundesrat und Parlament ging dies zu weit, doch mit der Stossrichtung der Initiative waren sie einverstanden. Das Parlament hat deshalb einen indirekten Gegenvorschlag ausgearbeitet. Er übernimmt die Vorgabe der Initiative, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral wird. Zudem setzt der Gegenvorschlag Zwischenziele. So sollen die Treibhausgasemissionen bis 2040 um mindestens 75 Prozent sinken. Die Vorlage sieht zudem Richtwerte für die Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie vor.

Der Gegenvorschlag will den Verbrauch fossiler Energieträger nicht verbieten, aber so weit wie möglich reduzieren. Allerdings kann der Ausstoss von Treibhausgasen nicht überall ganz vermieden werden, so etwa in der Landwirtschaft oder bei Kehrichtverbrennungsanlagen und Zementwerken. Dafür sind Speicherlösungen vorgesehen. CO₂ wird aus Industriekaminen oder aus der Atmosphäre entnommen und im Untergrund eingelagert.

Zur Reduktion des CO₂-Ausstosses sieht die Vorlage zusätzliche Subventionen für Hausbesitzer für den Ersatz von Öl- und Gasheizungen vor. Diese machen rund einen Viertel der Treibhausgasemissionen der Schweiz aus. Während zehn Jahren sind insgesamt bis 2 Milliarden Franken vorgesehen. Die Mittel stammen aus dem allgemeinen Bundeshaushalt und fliessen in die bestehenden Förderprogramme der Kantone.

Energieminister Albert Rösti hat angekündigt, dass er bei einem Ja in der Umsetzung ein besonderes Augenmerk auf den Ersatz von Elektroheizungen legen werde. Im Gesetz besteht Spielraum, auch Besitzer von solchen Heizungen beim Wechsel auf eine Wärmepumpe oder Holzheizungen zu subventionieren. Elektroheizungen machen im Winter immerhin rund 10 Prozent des Stromverbrauchs aus. Allerdings dürfte nur gut ein Drittel dieser Stromfresser ersetzt werden. In Ferienhäusern, die nur einige Wochen im Jahr genutzt werden, ist ein Wechsel oft mit unverhältnismässig hohen Kosten verbunden.

Auch die Wirtschaft spielt bei der CO₂-Reduktion eine wichtige Rolle. Für Unternehmen sind über sechs Jahre verteilt 1,2 Milliarden Franken für Investitionen in neue Technologien vorgesehen, beispielsweise für den Einsatz von klimaschonenden Produktionsanlagen. Einbezogen wird auch der Finanzplatz. Der Bund kann Vereinbarungen mit Banken, Versicherungen und Pensionskassen abschliessen und darin konkrete Ziele und Massnahmen festlegen.

2. Welches sind die Streitpunkte?

In der Debatte im Parlament gab es grundsätzliche Kritik am Vorgehen der Befürworter. Die SVP warf der Mehrheit vor, das Nein der Stimmbevölkerung zum CO₂-Gesetz und damit zu den Klimazielen nicht zu respektieren. Diese argumentierte, die Bevölkerung habe sich nicht gegen den Klimaschutz, aber gegen höhere Abgaben ausgesprochen.

Auch der zweite Kritikpunkt dreht sich um demokratiepolitische Fragen. Mit dem indirekten Gegenvorschlag würden die Kantone umgangen. Im Unterschied zu Initiativen genügt bei indirekten Gegenvorschlägen die Zustimmung der Bevölkerung. Das CO₂-Gesetz wurde von der Bevölkerung mit 51,6 Prozent Nein-Stimmen knapp abgelehnt. Hingegen verwarf eine deutliche Mehrheit von 21 Kantonen die Vorlage. Die Mehrheit fand, es brauche schnelle und griffige Lösungen statt einer Debatte über eine Verfassungsnorm.

3. Weshalb ist es von Bedeutung?

Das Parlament hat das Pariser Klimaübereinkommen 2017 genehmigt. Dagegen wurde kein Referendum ergriffen. Das Abkommen will die durchschnittliche globale Erwärmung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit auf deutlich unter 2 Grad begrenzen. Angestrebt wird ein maximaler Temperaturanstieg von 1,5 Grad. In der Schweiz hat die durchschnittliche Temperatur seit Messbeginn um 2,5 Grad zugenommen. Die globale Erwärmung betrug im selben Zeitraum 1,2 Grad. Die Schweiz ist vom Klimawandel besonders stark betroffen. Gestützt auf einen weiteren Bericht des Weltklimarats, hat der Bundesrat 2019 entschieden, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf netto null zu senken.

4. Was sagen die Gegner?

Die SVP hat gegen die Vorlage erfolgreich das Referendum ergriffen. Sie spricht von einem «Stromfresser-Gesetz», das faktisch zu einem Verbot von Heizöl, Gas, Diesel und Benzin führe. Heizen und Autofahren wären nur noch elektrisch möglich. Dies bedeute einen massiv höheren Stromverbrauch. Parallel dazu müssen mit der Energiestrategie 2050 auch die bestehenden Atomkraftwerke ersetzt werden. Dafür seien zusätzliche Pumpspeicherkraftwerke, rund 5000 Windräder und 70 Millionen Quadratmeter Solaranlagen in den Alpen notwendig. Damit würden Landschaft und Natur verschandelt.

Die Dekarbonisierung und der Ausstieg aus der Atomkraft gefährden laut der SVP die Versorgungssicherheit. Die Stromproduktion wird stärker abhängig vom Wetter und von Ressourcen im Ausland. Vor allem im Winter, wenn die Sonne weniger lang scheine und der Strombedarf hoch sei, bestehe ein Problem. Stark auf Importe zu setzen, sei eine gefährliche Strategie.

Die stark steigende Nachfrage nach Strom und der Umbau der Energieversorgung führen laut den Gegnern zu massiv höheren Kosten. Die Mehrkosten würden mehrere tausend Franken pro Person und Jahr ausmachen.

Die Gegner kritisieren die Vorlage zudem als unredlich. Sie enthalte strenge Klimaziele, aber sage nichts zu den notwendigen Massnahmen. Mit den vorgesehenen Subventionen würden die Ziele niemals erreicht. Ähnlich wie bei der Energiestrategie werde der Stimmbevölkerung nicht reiner Wein eingeschenkt.

5. Was sagen die Befürworter?

Im Parlament haben mit Ausnahme der SVP alle Parteien das Klimaschutzgesetz unterstützt. Sie führen ins Feld, dass die Schweiz ihren internationalen Verpflichtungen nachkommen und einen Beitrag leisten müsse. Die Klimaziele würden gemeinsam mit der Staatengemeinschaft umgesetzt. Zumal die Schäden und Folgekosten des Klimawandels in der Schweiz bereits deutlich spürbar seien. Sie verursachten bereits heute Kosten in Milliardenhöhe.

Bei Öl und Gas ist die Schweiz auf Importe angewiesen, und dies auch aus Ländern mit unberechenbaren Regierungen. Die Befürworter betonen, dass die Schweiz mit der Vorlage unabhängiger werde von diesen Staaten.

Auch fördere das Gesetz konkret den Ersatz von Heizungen und Gebäudesanierungen. So werde die Energie künftig effizienter genutzt. Das nütze nicht nur dem Klima, sondern auch der Wirtschaft. Das Gewerbe profitiere von Planungssicherheit und langfristig vollen Auftragsbüchern. Die Hauseigentümer erhielten finanzielle Unterstützung beim Ersatz von Öl-, Gas- und Stromfresser-Heizungen. Und dank niedrigeren Nebenkosten profitierten auch die Mieter.

Schliesslich fördere das Gesetz innovative Technik für den Klimaschutz. Der Bund unterstütze Unternehmen bei der Erstellung von Fahrplänen zur Emissionsreduktion. Mit Investitionen in Innovationen und ohne Verbote und Steuern werde die ganze Schweiz schrittweise klimaneutral.

Christof Forster, «Neue Zürcher Zeitung» (08.05.2023)

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