Das neue EU-Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen, ihre Lieferketten zu kennen – was einen Aufwand darstellt. Steigen die Lebensmittelpreise aufgrund zunehmender Nachhaltigkeitsvorschriften?
Eine berechtigte Frage. Derzeit sind wir in der Lebensmittelbranche weit von der Kostenwahrheit entfernt. Das heisst, die Produktion verursacht ökologische und soziale Schäden, für die niemand aufkommt. Darunter leiden langfristig nicht nur die Menschen vor Ort, sondern die gesamte Menschheit. Die Folgekosten muss irgendjemand bezahlen. Wenn sie nicht in den Produktpreis fliessen, muss letztlich die Allgemeinheit dafür geradestehen – meist in Form von Steuern. Wir benötigen also einen Paradigmenwechsel. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es vor allem die Umweltschäden selbst sind, welche die Preise hochtreiben. Da denke ich an Ernteausfälle aufgrund von zunehmenden Unwettern. So sind beispielsweise die Kakaopreise wegen einer Knappheit in Westafrika in nur einem Jahr um 65 Prozent hochgeschnellt.
Schon heute zahlen wir oft einen Aufpreis für Bioqualität. Müssen wir uns im Zeichen einer nachhaltigen Landwirtschaft auf höhere Preise einstellen?
Wenn Bioqualität gesetzlich vorgeschrieben wäre, liesse sich damit theoretisch kein Premiumpreis mehr rechtfertigen. Auch wenn wir dank eines gesunden ökologischen Kreislaufs weniger Dünge- und Pflanzenschutzmittel brauchen, müsste sich ein Kostenvorteil ergeben. Grosse Hoffnungen liegen da in neuen Technologien wie zum Beispiel der Präzisionslandwirtschaft. Mit Drohnen kann man genau erkennen, wo Handlungsbedarf besteht, und ganz gezielt Massnahmen ergreifen.
Haben neben der Hightech-Landwirtschaft auch kleinbäuerliche, naturnahe Betriebe eine Zukunft?
Die Lebensmittelindustrie braucht verlässliche Lieferanten. Wir gehen aber davon aus, dass viele Lösungen nebeneinander entstehen und sich die bewährten durchsetzen. Es ist wichtig, dass wir neue Wege suchen – und je nach Umfeld führen andere zum Ziel. Wir können einen Grossbetrieb, der Mais als «Commodity» für den Weltmarkt anbaut, nicht mit einem kleinen Kakaobauern in Afrika vergleichen. Hightech-Landwirtschaft ist ein Teil der Lösung – aber kommt nicht überall zum Einsatz.
Bei der Präsentation der Studie in Zürich waren namhafte Lebensmittelproduzenten anwesend. Welche ersten Schritte empfehlen Sie den Unternehmen?
Es gibt keine Patentrezepte, aber einige Grundprinzipien. Jedes Unternehmen kennt seine Lieferkette am besten und weiss, welche Massnahmen wirksam sind. Gemäss dem Pariser Abkommen will die Schweiz ihren CO2-Ausstoss bis 2030 um 50 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, ist rasches Handeln erforderlich. Unternehmen sollten deshalb nicht warten, bis die Finanzabteilung die Massnahmen in ihrem Reporting adäquat abbilden kann. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die Unternehmen dazu beitragen, dass sich Nachhaltigkeit sinnvoll in Zahlen aus-drücken lässt.
Welchen Einfluss haben die Konsumenten?
Der grösste Hebel besteht darin, aufs Fleisch zu verzichten. Eine vegetarische Mahlzeit belastet das Klima viel weniger. Und es wäre erst noch gesünder, sich auf den Sonntagsbraten zu beschränken und viel Gemüse und Obst zu essen.
In der Schweiz dienen die Tiere aber vielerorts auch der Landwirtschaftspflege.
Studien zeigen, dass unser Tierbestand zu gross ist, als dass die Rinder und Kühe nur von Heu und Gras leben könnten. Aber die Schweiz bildet tatsächlich einen Sonderfall. Weil wir viel Grasland haben, fördert eine gewisse Zahl Tiere die Biodiversität.