Das betrifft vor allem ETCS, das European Train Control System. Von der europäischen Verkehrspolitik seit langem herbeigesehnt, kommt die netzweite Einführung der europäisch einheitlichen Leit- und Sicherungstechnik auf digitaler Basis und per Bahnfunk nur schleppend voran. Denn sie ist teuer und belastet schwer die Staatshaushalte. Hightech-Stellwerke, Loks und Triebwagen müssen für viel Geld aufgerüstet oder gleich durch digitalisierte Neufahrzeuge ersetzt werden.
Zurückhaltung bei der Digitalisierung
So hat die Deutsche Bahn (DB) bereits im vergangenen Jahr bei der Ankündigung, in den kommenden Jahren 40 Hochleistungsstrecken ihres Netzes komplett zu sanieren, die eigentlich geplante Einführung von ETCS bei diesen Vorhaben teilweise zurückgestellt. Hartnäckig halten sich zudem offiziell dementierte Gerüchte, die marode Staatsbahn wolle aus Kostengründen vorerst ganz auf die Digitalisierung verzichten.
Die Branche nimmt es mit wachsender Sorge zur Kenntnis. Deutschland sei Transitland in Europa mit wichtigen transeuropäischen Verkehrskorridoren und deshalb müsse es bei der Digitalisierung der Schiene «eine Schlüsselrolle» übernehmen, mahnt beispielsweise Michael Konias, der beim Bahntechnik-Riesen Alstom das Digitalgeschäft der Region DACH leitet.
In Hamburg kommt ungeachtet dessen ein Pilotprojekt gut voran. Automatisierter Betrieb ist seit fast zwei Jahren fahrplanmässiger Alltag auf einem gut 20 Kilometer langen Abschnitt einer S-Bahn-Linie. Dort werden vier digital ausgerüstete Züge ausschliesslich vom Rechner gesteuert – ganz regulär mit Fahrgästen und im Mischbetrieb mit den übrigen Fahrzeugen. Ein Lokführer ist nur noch zur Überwachung im Führerstand. Das ist «ATO over ETCS», also Automatic Train Operation, automatisierter Zugbetrieb, auf Basis der europäischen Leit- und Sicherungstechnik. Fachleute präzisieren: Es geht um ETCS im Level 2 – mithilfe umfassender Kommunikation per Zugbahnfunk gesteuert; Signale am Bahndamm werden überflüssig.
Wie die Frankfurter U-Bahn erreicht die digitale Hamburger S-Bahn optimierte Fahrweisen und Zugfolgen unter zwei Minuten. Damit könnten in Stosszeiten bis zu 30 Prozent mehr Bahnen fahren. Mehr Züge brauchen mehr Energie. Da ist es von Vorteil, dass etwa durch die exakt gesteuerte Fahrweise der Stromverbrauch pro Zug um ebenfalls bis zu 30 Prozent gesenkt werden soll. Zudem verfügt der vom Computer gesteuerte Betrieb über Programme, die bei Störungen des Betriebsablaufs in Sekundenschnelle aus der Ist-Situation heraus die optimale Alternative zurück zum Fahrplan errechnen.
«Unser Ziel ist, das Hamburger S-Bahn-Netz bis zum Ende des Jahrzehnts flächendeckend mit ATO over ETCS auszurüsten», so beschreibt ein Bahnsprecher das Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Bahn mit der Stadt Hamburg und Siemens Mobility. Bis 2027 soll für knapp 70 Stationen mit rund 750 000 Passagieren pro Tag auf rund 150 Streckenkilometern das neue intelligente Leitsystem installiert werden.
Automatisierte Hamburger S-Bahn
Vom nächsten Jahr an werden 64 Züge einer neuen Baureihe mit der digitalen Technik erwartet. Siemens liefert die digitale Infrastruktur, Fahrzeughersteller ist das Unternehmen Alstom, das sich über diesen Auftrag hinaus in der Hansestadt die Lieferung von über 300 U-Bahn-Zügen und die digitale Ausstattung mit CBTC-Technologie von Hamburgs erster vollautomatischer fahrerloser Metrolinie sicherte.