Diese Summe entspricht etwa 1,5 Steuerprozenten. Es handelt sich laut Stocker um einen «verdeckten Beitrag an die anderen Kantone», und zwar über die 462 Millionen Franken hinaus, die Zürich derzeit in den nationalen Finanzausgleich einzahlt. Die Leistung des Wirtschaftskantons ist damit über 20 Prozent höher als in der offiziellen Statistik ausgewiesen.
Die ungedeckten Kosten verteilen sich sehr unterschiedlich auf die verschiedenen Aufgabenbereiche, wie Basilius Scheidegger, der Direktor der Finanzverwaltung, ausführte. Etwa drei Viertel oder 76,7 Millionen Franken entfallen auf die Universität und die Fachhochschulen. Nur knapp die Hälfte der Studierenden an der Universität kommen aus dem Kanton Zürich. Die Abgeltungen für Studierende aus anderen Kantonen decken nur einen Teil der Kosten.
Das gilt insbesondere für die Bildungsinfrastruktur. So baut der Kanton Zürich für knapp 600 Millionen Franken das UZH-Forum zwischen Gloria- und Rämistrasse. Insgesamt investiert er gemäss momentaner Planung in den nächsten Jahren etwa drei Milliarden Franken in Bauten für die Universität. Eine Milliarde sei für Studierende aus anderen Kantonen, sagte Stocker.
Ins Gewicht fallen mit 18 Millionen Franken auch ungedeckte Kosten für Kultureinrichtungen von überregionaler Bedeutung. Unerwartet bescheiden fielen diese im öffentlichen Verkehr aus, sagte Stocker, mit lediglich 9 Millionen Franken. Nicht zu ermitteln waren fehlende Abgeltungen für die kantonalen Spitäler. Dieser Punkt soll weiter abgeklärt werden.
Es handelt sich um eine konservative Berechnung, also mit Annahmen eher zuungunsten von Zürich. So wurden Leistungen für Personen ohne Wohnsitz in der Schweiz dem Kanton Zürich zugewiesen. International renommierte Hochschulen und Kulturinstitute mit einem von weit her angereisten Publikum sind aber für alle Kantone von Interesse. Nähme man sie in die Gesamtrechnung auf, müssten sie für weitere rund 50 Millionen Franken aufkommen.
Umgekehrt enthält der Finanzausgleich für Zürich strukturelle Nachteile. So gibt es für vermutete Standortvorteile etwa durch die Universität pauschale Abzüge in der IKZ. Gleichzeitig sind Standortvorteile über höhere Einkommen, Vermögen und Unternehmensgewinne bereits im Ressourcenausgleich berücksichtigt. Diese Doppelzählung möchte der Finanzdirektor Stocker eliminieren.
Zug bietet Hand – sofern das Problem tatsächlich besteht
Die entscheidende Frage wird sein, ob ausserhalb von Zürich überhaupt jemand Gehör für diesen Befund hat. Denn wenn Zürich weniger zahlt, müssen andere in die Bresche springen – und wer will das schon tun? Stocker weiss, dass dies schwierig wird. Aber obwohl es ein heisses Eisen sei, wolle er die geltende Grundlage des Zentrumslastenausgleichs infrage stellen.
Geschehen soll dies im Rahmen der wiederkehrenden Überprüfung des Finanzausgleichs durch den Bundesrat, an den Zürich appelliert. Weil es aber kaum ohne den Beistand anderer Kantone geht, hat Stocker zugleich mögliche Verbündete zu einem Austausch eingeladen. Er hofft in erster Linie auf Zentrumskantone wie Basel-Stadt, Bern oder Genf, die ebenfalls viele Leistungen für andere erbringen und ähnliche Sorgen haben. Das Problem: Diese sind in der Unterzahl.
tocker vertraut deshalb auch darauf, dass die Nachbarkantone, die vom heutigen System profitieren, ein Interesse daran haben, dass es Zürich gutgeht. Zudem lassen sich reiche Kantone wie Zug oder Schwyz nach Zürcher Kalkül womöglich für die eigene Sache gewinnen, indem man ihnen im Gegenzug anbietet, ihr Anliegen einer Begrenzung des Ressourcenausgleichs zu unterstützen.
Heinz Tännler, der SVP-Finanzdirektor des Kantons Zug, der mit Stocker wegen des Steuerwettbewerbs immer wieder einmal im Clinch liegt, äussert sich auf Anfrage ambivalent: Zug könne es grundsätzlich nicht egal sein, wenn es dem Wirtschaftsmotor Zürich schlechtgehe, sagt er. «Sollte sich objektiv zeigen, dass es heute ein massgebendes Ungleichgewicht gibt, bin ich der Letzte, der das einfach vom Tisch wischt.»
In diesem Fall müsste man dies laut Tännler gemeinsam mit allen anderen Kantonen besprechen, die von den Zürcher Zentrumsleistungen profitierten, zum Beispiel auch mit dem Aargau. Dessen Finanzdirektor Markus Dieth war am Dienstag nicht für eine Stellungnahme verfügbar.
Gleichzeitig lässt der Zuger Finanzdirektor aber wenig Zweifel daran, dass der Beweis mit einer Zürcher Auftragsstudie für ihn noch nicht erbracht sei. Zumal es generell schwierig sei, den Wert solcher Leistungen zu quantifizieren.
Sehr skeptisch steht Tännler auch der Idee gegenüber, das Thema im Rahmen einer Überarbeitung des gesamten Finanzausgleichs anzupacken. Es ist zwar tatsächlich so, dass auch Zug mit diesem heute nicht glücklich ist. Die Belastung durch den Ressourcenausgleich hat laut Tännler ein Niveau erreicht, das die Zuger Bevölkerung nicht mehr versteht. «In zwei Jahren werden wir in absoluten Zahlen womöglich mehr Geld überweisen als Zürich», sagt er.
Wenn man aber am Finanzausgleich herumschraube, verliere man sich rasch im Dickicht der Regulierungen – und am Ende laufe es erfahrungsgemäss meist darauf hinaus, dass die Geberkantone noch mehr zahlen müssten. Die Nehmerkantone seien ganz einfach zahlreicher und dadurch am längeren Hebel. Das Zürcher Anliegen wäre seiner Meinung nach eines, das man partnerschaftlich unter den Kantonen lösen sollte.