«Noch nie stand so viel auf dem Spiel»
Geopolitische Spannungen und die Klimakrise werden die Diskussionen auf dem World Economic Forum (WEF) in Davos prägen. Am Montag beginnt das 55. Jahrestreffen.
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WEF Davos 2025: Geopolitik und Klimakrise im Fokus des 55. Jahrestreffens. Foto: Imago
Geopolitische Spannungen und die Klimakrise werden die Diskussionen auf dem World Economic Forum (WEF) in Davos prägen. Am Montag beginnt das 55. Jahrestreffen.
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4 Min. • • Elmar zur Bonsen, Sustainable Switzerland Editorial Team
Es ist wieder so weit: In der kommenden Woche wird Davos vom 20. bis 24. Januar erneut zum Schauplatz der internationalen Politik- und Wirtschaftselite. Rund 3000 Führungspersönlichkeiten aus 130 Ländern haben sich zum nunmehr 55. Jahrestreffen des Weltwirtschaftsforums in der verschneiten Bündner Bergwelt angesagt, unter ihnen 60 Staats- und Regierungschefs. Den offiziellen Auftakt machen die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der chinesische Vize-Premier Ding Xuexiang. Auch Argentiniens Präsident Javier Milei und sein ukrainischer Amtskollege Wolodimir Selenski werden als prominente Teilnehmer erwartet. Der designierte US-Präsident Donald Trump will sich online zuschalten.
«Das Jahrestreffen findet zu einem Zeitpunkt statt, der in einem grösserem Masse von globaler Unsicherheit geprägt ist, als wir es seit einer Generation erlebt haben. Die Ursachen dafür sind geopolitische Spannungen, wirtschaftliche Fragmentierung und der beschleunigte Klimawandel», so Børge Brende, Präsident und CEO des WEF. «In diesem unruhigeren Klima können wir nur durch innovative, kooperative Ansätze dringende Herausforderungen angehen und neue Chancen erschliessen. »
Globale Herausforderungen
Wie schon in den vergangenen Jahren steht das Thema Nachhaltigkeit weit oben auf der Davoser Agenda. Unter dem Motto «Collaboration for the Intelligent Age» (Zusammenarbeit für das intelligente Zeitalter) werden sich die Diskussionen auf fünf zentrale, miteinander verknüpfte Themenbereiche konzentrieren, die alle für eine nachhaltige, integrative und prosperierende Zukunft entscheidend sind: «Reimagining Growth» erkundet neue Möglichkeiten für Wirtschaftswachstum, unter anderem durch technologiegetriebene Innovation. «Industries in the Intelligent Age» untersucht, wie Unternehmen technologische Veränderungen und neue Branchendynamiken meistern können. «Investing in People» befasst sich mit der Entwicklung von Mitarbeitenden, mit Umschulungsmassnahmen und der Schaffung von Arbeitsplätzen in aufstrebenden Branchen. «Safeguarding the Planet» konzentriert sich auf die Skalierung von Klima- und Naturlösungen, ebenso um die Weiterentwicklung von Anstrengungen und Massnahmen zur Dekarbonisierung. «Rebuilding Trust» wiederum befasst sich mit der Frage, wie globale Zusammenarbeit und Resilienz in einer zunehmend fragmentierten Welt gefördert werden können.
Das WEF hat sich für 2025 auch vorgenommen, stärker als bisher die Jugend und die Basis zu Wort kommen zu lassen. So wurden neue Initiativen angekündigt, um die Perspektiven von indigenen Gemeinschaften, Sozialunternehmern und Klimaaktivisten unter 30 Jahren zu stärken. Dies spiegelt laut WEF die wachsende Erkenntnis wider, dass die Lösungen für globale Herausforderungen integrativ und von unten nach oben erfolgen müssen.
Die Welt wird instabiler
Im Vorfeld des Davoser Gipfels hat das WEF in dieser Woche seinen neuen «Global Risks Report» veröffentlicht. Die Ergebnisse zeichneten ein dramatisches Bild des kommenden Jahrzehnts, heisst es in der Medienmitteilung. Fast zwei Drittel der insgesamt 900 befragten Risikoexperten, politischen Entscheidungsträger und Branchenführer erwarten bis 2035 ein «turbulentes» oder «stürmisches» globales Umfeld. Auch für die nächsten zwei Jahre rechnen sie mit mehr Instabilität und Risiken für die internationale Zusammenarbeit.
Als drängendstes unmittelbares globales Risiko werden bewaffnete Konflikte auf staatlicher Ebene angesehen – fast ein Viertel (23 Prozent) der Befragten stufen sie als die grösste Sorge für 2025 ein. Auf dem zweiten Platz rangieren extreme Wetterereignisse (14 Prozent). Die weiteren genannten Risiken folgen mit grossem Abstand (siehe Tabelle). Dazu zählen auch die von den Fachleuten befürchteten geoökonomischen Konfrontationen (8 Prozent). Das können zum Beispiel Handelskonflikte sein, ausgelöst durch die zu erwartende drastische Zollpolitik des designierten US-Präsidenten Donald Trump. Einen wirtschaftlichen Abschwung sehen dagegen nur fünf Prozent der Befragten als grösstes Risiko.
Kurz- und längerfristige Risiken
Fehl- und Desinformationen sind im zweiten Jahr in Folge die wichtigsten kurzfristigen Risiken. Sie schüren Instabilität, untergraben das Vertrauen in Regierungshandeln und verschärfen die Spaltungen innerhalb und zwischen Nationen, wie es im Report heisst. Weitere wichtige kurzfristige Risiken seien extreme Wetterereignisse, gesellschaftliche Polarisierung, Cyberspionage und Kriege.
Umweltrisiken dominieren dem Report zufolge die längerfristige Perspektive: Extreme Wetterereignisse, der Verlust der biologischen Vielfalt und der Zusammenbruch von Ökosystemen, kritische Veränderungen der Erdsysteme und die Verknappung natürlicher Ressourcen führen die Rangliste der wichtigsten Risiken der nächsten zehn Jahre an. Das fünfte Umweltrisiko unter den Top 10 ist die Umweltverschmutzung, die unter den kurzfristigen Risiken an sechster Stelle rangiert und somit ebenfalls als wichtiges Risiko wahrgenommen wird. «Dies spiegelt die wachsende Erkenntnis wider, dass eine Vielzahl von Schadstoffen in der Luft, im Wasser und im Boden schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit und Ökosysteme haben», heisst es im Risiko-Bericht. Langfristig werde das Bild auch durch technologische Risiken im Zusammenhang mit Fehlinformation, Desinformation und negativen Auswirkungen von KI-Technologien getrübt.
«Zunehmende geopolitische Spannungen, der weltweite Vertrauensverlust und die Klimakrise belasten das globale System wie nie zuvor», sagte WEF-Geschäftsführer Mirek Dušek bei der Vorstellung des Reports. «In einer Welt, die von sich vertiefenden Gräben und kaskadierenden Risiken geprägt ist, stehen die Führungspersönlichkeiten der Welt vor der Wahl, entweder die Zusammenarbeit und Resilienz zu fördern oder sich mit wachsender Instabilität konfrontiert zu sehen. Noch nie stand so viel auf dem Spiel wie heute.»
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