Grüner Wasserstoff für die Industrie
Im «Tech Cluster Zug» soll künftig ein einzigartiges Verfahren zur emissionsfreien Energieversorgung angewendet werden. Worum es genau geht, erläutert der Experte Andreas Bittig.
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Auf dem V-ZUG-Gelände (im Vordergrund) entsteht bis 2046 ein neues Quartier, der «Tech Cluster Zug». Visualisierung: Techclusterzug.ch
Im «Tech Cluster Zug» soll künftig ein einzigartiges Verfahren zur emissionsfreien Energieversorgung angewendet werden. Worum es genau geht, erläutert der Experte Andreas Bittig.
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3 Min. • • Swissmem
Heute ist auf dem Areal des «Tech Cluster Zug» unter anderem der Haushaltsgerätehersteller V-ZUG angesiedelt. Bis 2046 entsteht auf dem 80 000 Quadratmeter grossen Gelände mitten in der Kantonshauptstadt ein neues Ökosystem aus Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Wohngebäuden. Getestet wird dabei ein bisher einzigartiges Herstellungsverfahren für Wasserstoff, um industrielle Hochtemperaturprozesse zu dekarbonisieren. Die Vision: CO₂-neutrale Industrieanlagen – weltweit. Wir sprachen darüber mit Andreas Bittig, dem Leiter des Vereins zur Dekarbonisierung der Industrie (VzDI).
Herr Bittig, können Sie uns kurz beschreiben, wie es im Jahr 2046 auf dem Areal des «Tech Cluster Zug» aussehen wird.
Andreas Bittig: Auf 80 000 Quadratmetern ist ein komplett neuer Stadtteil entstanden. Das frühere Industriequartier mitten in Zug ist ein lebendiger Ort, an dem Menschen arbeiten, forschen, leben und sich treffen.
Umnutzungen von Industriearealen gibt es einige. Aber meist verschwindet die Industrie.
Das ist das Besondere an unserem Modell: Die Produktion bleibt. Die V-ZUG investiert am heutigen Standort in neue Produktions- und Bürogebäude. Dabei konzentriert sie sich auf nur noch ein Viertel der Fläche. Mittels «vertikaler Fabrik» wird der Platz effizienter genutzt und es werden Flächen für weitere Betriebe, technologienahe Dienstleistungen, Startups sowie Forschungsund Bildungsinstitutionen frei.
Sie sind Gesamtprojektleiter des VzDI. Worum geht es beim Projekt?
Wir entwickeln eine nachhaltige Energieversorgung, die frei von CO₂-Emissionen ist. Konkret geht es um die Emaillierungsanlage von V-ZUG. Im Produktionsprozess sind sehr hohe Temperaturen notwendig. Um diese zu erreichen, muss ein energiereiches und hochbrennbares Gas eingesetzt werden. Bei V-ZUG verwenden wir bisher Methan, den Hauptbestandteil von fossilem Erdgas. In unserer Demonstrationsanlage ersetzen wir das Erdgas durch pyrolytisch erzeugten Wasserstoff und verwenden ihn in den Emaillierungsöfen.
Was ist unter pyrolytisch erzeugtem Wasserstoff zu verstehen?
Mit der Methanpyrolyse spalten wir die Methanmoleküle mit Mikrowellenstrahlen in Wasser- und Kohlenstoff auf. Es entsteht kein CO₂ als Nebenprodukt. Der gasförmige Wasserstoff wird dann als Brennstoff in die Hochtemperaturprozesse eingeblasen. Die Produktion wird so dekarbonisiert. Es entstehen keine CO₂-Emissionen mehr, sondern nur noch Wasserdampf.
Und was passiert mit dem Kohlenstoff?
Durch die Pyrolyse entsteht ein Kohlenstoffpulver. Dieses wird als Ressource für die Bauwirtschaft eingesetzt, zum Beispiel als Beimischung in Beton. In der Landwirtschaft kann der Humus mit dem Kohlenstoff angereichert werden, womit die Bodenqualität stark verbessert werden kann.
«Unsere Vision ist, dass man jede Industrieanlage umrüstet, die Erdgas verwendet.»
Mit der Methanpyrolyse sollen sogar negative CO₂-Emissionen möglich sein. Wie kommt das?
Negative CO₂-Emissionen ergeben sich, wenn man künftig synthetisches Methan anstelle von fossilem Erdgas für die Wasserstofferzeugung verwendet. Für die Herstellung von synthetischem Methan muss der Atmosphäre mehr CO₂ entnommen werden, als anschliessend über sämtliche Prozessschritte wieder ausgestossen wird. Der abgespaltene Kohlenstoff wird der Atmosphäre damit dauerhaft entzogen.
Wie viele Anlagen könnte man denn künftig mit der neuen Technologie aufrüsten?
Unsere Vision ist, dass man in der Schweiz jede Industrieanlage umrüstet, die Erdgas verwendet. Wenn die Schweiz ihre CO₂-Ziele erreichen will, braucht es Technologien, die eine negative CO₂-Bilanz ermöglichen, und zwar im grossen Stil. Rund ein Viertel der heute im Inland erzeugten CO₂-Emissionen lassen sich nicht allein durch Umstellung auf erneuerbare Energie reduzieren.
Nicht nur die Produktion, auch der restliche Teil des Zuger Areals soll nachhaltig und effizient mit Energie versorgt werden.
Das «Tech Cluster Zug»-Areal wird auf unterschiedlichen Ebenen vernetzt. In der Energiezentrale werden das eigene CO₂-neutrale Wärme- und Kälteerzeugungssystem, die Stromversorgung sowie die Elektromobilität für das gesamte Areal und dessen Nachbarschaft zusammengeführt. Es nutzt lokale Energiequellen wie Tiefengrundwasser, Seewasser, Photovoltaik der Gebäudedächer und Fassaden.
Foto: PD
Andreas Bittig Leiter des Vereins zur Dekarbonisierung der Industrie
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