Die COP29 folgt auf Monate, in denen an Land und in den Meeren ein Temperaturrekord den anderen jagte, gleichzeitig in Westafrika, Mitteleuropa und den USA ungewöhnlich heftige Überschwemmungen auftraten, mit dem Rio Negro ein grosser Nebenfluss des Amazonas austrocknete und mit dem Pantanal das grösste Feuchtgebiet der Erde in Flammen stand. Die Warnrufe aus der Wissenschaft, dass Prognosen bereits Wirklichkeit werden, sind unüberhörbar.
Auch Wirtschaftsvertreter sind alarmiert: «Geopolitische Spannungen und rekordverdächtige Klimaereignisse unterstreichen die Dringlichkeit der internationalen Verhandlungen», sagt Alexander Keberle, Leiter Energie, Infrastruktur und Umwelt bei Economiesuisse, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft.
Im Vordergrund stehen Finanzierungsfragen
Christoph Bals, der Geschäftsführer der Umweltorganisation Germanwatch, ist einer der erfahrensten Beobachter von Uno-Klimaverhandlungen. Babajew liege richtig, wenn er sehr grundsätzliche Finanzfragen zur Diskussion stellen wolle, etwa zur Rolle von Entwicklungsbanken und dazu, wie private Gelder in den Klimaschutz gelenkt werden könnten, sagt er. «Sollen die Ziele für Klimaschutz, Anpassung und zur Bewältigung der Schäden erreicht werden, bedarf es mindestens einer Verzehnfachung der bislang mobilisierten 100 Milliarden Euro jährlich.»
Alexander Keberle von Economiesuisse hält den geplanten Fokus der COP29 auf die Klimafinanzierung ebenfalls für richtig. «Sinnvoll wäre je eine einheitliche CO2-Abgabe für Industrieländer, für Schwellenländer und für Entwicklungsländer, damit sich möglichst viele Länder daran beteiligen», sagt er.
Welche Länder wie viel in den «Loss and Damage»-Fonds einzahlten, müsse sich nach deren Beitrag zu den historischen Emissionen richten., sagt Alexander Keberle, Leiter Energie, Infrastruktur und Umwelt bei Economiesuisse. Dieser Fonds ist zum Ausgleich von Verlusten und Schäden gedacht, die durch den Klimawandel verursacht wurden. Zudem, so Keberle, sollten Länder ihre Klimaziele zusammenlegen können, um sie gemeinsam zu erreichen. Ein wünschenswertes Resultat der Klimakonferenz wäre auch ein verbindliches Datum für den Ausstieg aus der Kohle.
Ein weiterer Knackpunkt der Konferenz ist die Frage, welche neuen Klimaziele sich die Staaten setzen. Denn die bisherigen Massnahmen und ihre schleppende Umsetzung laufen auf eine Erderwärmung um gefährliche 2,5 bis 2,9 Grad Celsius bis 2100 hinaus. «Nur mit bedeutend gesteigerten Ambitionen der Länder, die den Klimawandel verursachen, ist es noch möglich, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen», sagt Delia Berner von der Alliance Sud, einer entwicklungspolitischen Arbeitsgemeinschaft von sechs Schweizer Organisationen.
Christoph Bals fiel positiv auf, dass sich Babajew schon im April beim «Petersberger Klimadialog» im Berliner Aussenministerium mit klaren Worten zum Ziel bekannte, die Erderwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu halten, was sofortige tiefgreifende Massnahmen notwendig machen würde. Im Sommer kündigte Babajew an, auch sein Land werde die «Nationally determined contributions», kurz NDC, so nachschärfen, dass sie zu dem Klimaziel passten.
Kritik an Aserbaidschans Klimabilanz
Niklas Höhne, Professor für CO2-Reduktion an der Universität Wageningen und Initiator des Climate Action Tracker, stuft die eigenen Pläne des Landes Aserbaidschan allerdings als «absolut ungenügend» ein. Ende 2023 hatte das Gastgeberland bei den Vereinten Nationen als neues Ziel hinterlegt, bis 2050 die CO2-Emissionen um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Nötig, um zum 1,5-Grad-Ziel beizutragen, wäre gemäss dem Climate Action Tracker aber ein viel schnellerer Rückgang: eine Reduktion der heutigen Emissionen von 70 Millionen Tonnen auf 35 Millionen Tonnen 2030 und nur noch 10 Millionen Tonnen 2050.
Dass solche Ziele mit dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew zu schaffen sein sollen, ist beinahe ausgeschlossen. Seit 2010 sind die Emissionen seines Landes um 38 Prozent gestiegen. Beim Petersberger Klimadialog hat er noch die eigenen Öl- und Gasreserven ein «Geschenk Gottes» genannt und ihre Nutzung als «Recht» der Öl- und Gasstaaten bezeichnet.
Aus den Reihen von Umweltschützern wird Babajew – wie zu erwarten – viel Misstrauen entgegengebracht. Nicht nur vertritt er eine Regierung, die auf Erdölförderung baut, er kommt auch selbst aus der Ölbranche. Bevor er 2010 in die Politik ging und Abgeordneter wurde, hat er für die State Oil Company of Azerbaijan gearbeitet. Er war dort für Nachhaltigkeit zuständig, also nicht ganz so hochrangig in das globale Ölbusiness eingebunden wie Sultan al-Jaber.