Cornelius Pieper: Da DAC der Luft physisch CO2 entzieht und damit die Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre aktiv senkt, unterscheidet sich dieser Ansatz deutlich und nachweisbar von den herkömmlichen Kohlenstoffkompensationen. Die DAC-Technologie kann so einen ganz wesentlichen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten. Voraussetzung hierfür ist aber ein funktionierender Markt für solche Lösungen. Anbieter wie Climeworks brauchen Investoren, um ihre Technologien weiterzuentwickeln und noch leistungsfähiger zu machen. Gleichzeitig müssen sie eine schnell wachsende Nachfrage bedienen. In den vergangenen Monaten hat sich auf diesem Markt sehr viel getan. Nicht nur BCG, sondern auch Unternehmen wie Microsoft, Swiss Re, UBS oder Shopify setzen auf negative Emissionen, um ihre eigenen Klimaziele zu erreichen. Das hat natürlich Signalwirkung. Wir bei BCG nutzen aber nicht nur die Dienstleistung von Climeworks. Im Rahmen unserer Partnerschaft unterstützen wir das Unternehmen zudem, die breitere Einführung und Skalierung von DAC weltweit zu beschleunigen. Die Klimawende wird nur möglich, wenn wir konsequent und schnell saubere Technologien und Verfahren zur Dekarbonisierung einführen. Wir müssen Unternehmen, etablierte genauso wie Start-ups, mit Investitionen, Know-how sowie Nachfrage unterstützen, damit sie saubere Technologien nicht nur entwickeln, sondern auch im grossen Massstab anbieten können.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen für Ihr Unternehmen?
Christoph Gebald: Aktuell haben wir einen wichtigen Meilenstein erreicht: den Sprung vom Start-up zu einem Wachstumsunternehmen. Die Finanzierungsrunde im April von rund 600 Millionen Schweizer Franken macht vieles möglich und ist ein deutlicher Beleg für die Zukunftsfähigkeit unserer Technologie und unseres Geschäftsmodells.
Um unser Ziel einer Gigatonnen-Kapazität bis 2050 umzusetzen, brauchen wir aber auch weiterhin die Unterstützung von Investoren. Und damit DAC sein ganzes Potenzial entfalten kann, ist es zudem unerlässlich, die notwendigen politischen Rahmenbedingungen zu schaffen. Das gilt insbesondere für den Ausbau erneuerbarer Energien. Nach konservativen Prognosen sind für DAC ab 2030 jährlich bis zu 25 Gigawatt Wind- und Solarkapazitäten erforderlich. Das entspricht etwa drei Prozent der 2030er-Kapazitäten an sauberem Strom. Um die Qualität der Kohlenstoffentfernung für die Kunden sicherzustellen, brauchen wir darüber hinaus strenge Standards, die messbar sind und für die Klimaberichterstattung etwa nach den Richtlinien der Science Based Targets Initiative geeignet sind. Climeworks und Carbfix haben die weltweit erste Methodik zur Zertifizierung für die Entfernung von Kohlendioxid durch DAC und der unterirdischen Speicherung durch Mineralisierung entwickelt. Diese wurde vom unabhängigen Qualitäts- und Sicherungsunternehmen DNV validiert.
Welche Rolle wird DAC für die Klimawende spielen?
Cornelius Pieper: Wir brauchen ein ganzes Portfolio von Lösungen, die Treibhausgas aus der Atmosphäre entnehmen – sowohl auf natürlicher als auch auf technologischer Basis –, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen. Natürlich ist es zunächst entscheidend, Treibhausgasemissionen zu reduzieren oder zu vermeiden. Das wird aber nicht reichen, um die Erwärmung zu stoppen. Deshalb müssen wir CO2 aktiv aus der Atmosphäre entfernen. Die technologiebasierte Lösung von Climeworks, die das Portfolio von naturbasierten Removal-Lösungen ergänzt, wird hier einen grossen Beitrag leisten. Es ist wichtig, saubere Technologien zu fördern – von staatlicher Seite, aber auch durch etablierte Unternehmen. Diese können damit nicht nur die eigenen Emissionen deutlich verringern und ihre erklärten Klimaziele erreichen, sie fördern durch ihre Nachfrage nach kohlenstoffreduzierenden Technologien auch deren weitere Entwicklung. BCG ist Gründungsmitglied der First Mover Coalition, die sich zum Ziel gesetzt hat, Schlüsseltechnologien für die Dekarbonisierung marktfähig zu machen, darunter auch Carbon Removal.