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Die Sonne geht über einem Strand auf

Die Sonneneinstrahlung schwankt nur wenig, der Einfluss des Sterns auf Veränderungen des Erdklimas wird oft überschätzt. Bild: Imago

Klima & Energie

«Die Sonne verursacht den Klimawandel»: Beliebte Klimamythen – und was an ihnen falsch ist

In der Öffentlichkeit geistern viele und steile Thesen zum Klimawandel herum. Schaut man genauer hin, liegen die Dinge oft völlig anders.

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«Die Sonne verursacht den Klimawandel»: Beliebte Klimamythen – und was an ihnen falsch ist

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Um die Erderwärmung wird viel gestritten. Die Fakten treten dabei immer wieder in den Hintergrund. Der Mensch tut sich schwer mit dem komplexen Thema Klimawandel; wer der Öffentlichkeit simple Erklärungsmuster anbietet, hat einen Wettbewerbsvorteil. Hier werden vier besonders beliebte Thesen auf den Prüfstand gestellt.

These: «Die Sonne ist für die Erderwärmung verantwortlich»

Kaum ein Klimamythos hält sich länger und hartnäckiger als dieser. Vielleicht deshalb, weil der Gedanke so nahe liegt: Die Sonne wärmt uns jeden Tag – warum sollte sie nicht auch den Klimawandel hervorgerufen haben? Die überwältigende Mehrheit der Fachleute ist heute allerdings überzeugt, dass sich der Anstieg der Temperatur auf der Erde in den vergangenen Jahrzehnten nicht mit der Sonne erklären lässt.

Es gibt zwei Varianten der solaren These. Die erste Variante besagt, dass die Sonne immer mehr Energie in Richtung Erde schicke. Deshalb sei es hier wärmer geworden.

Doch das stimmt nicht. In Wirklichkeit ist die Energie, die von der Sonne zum Blauen Planeten strömt, seit mehr als sechzig Jahren ungefähr gleich stark geblieben, wie Messungen durch das Physikalisch-Meteorologische Observatorium Davos und viele andere Institutionen belegen.

Den Oberrand der Erdatmosphäre erreicht im Schnitt eine Sonneneinstrahlung von 1361 Watt pro Quadratmeter. Höchstwahrscheinlich hat dieser Wert in den vergangenen Jahrzehnten sogar ein klein wenig abgenommen. Durch ein Mehr an Energie kann die Sonne die Erwärmung also nicht hervorgerufen haben.

Laut der zweiten Variante dieses Klimamythos hat ein indirekter Effekt, der von der Sonne ausgeht, den Klimawandel verursacht. Gemäss dieser These hat die Sonne durch ihre sich verändernde Aktivität immer mehr kosmische Strahlung abgeschirmt.

Kosmische Strahlung stammt von fernen Sternexplosionen. Je weniger davon in die Atmosphäre gelangt, desto weniger Kondensationskeime für Wolken soll es geben. Weil die verringerte Wolkenbedeckung mehr Sonnenschein hindurchgelassen habe, so die Argumentation, sei dann die Temperatur gestiegen.

Doch auch diese These hält einer Überprüfung durch die Wissenschaft nicht stand. Es ist zwar möglich, dass kosmische Strahlen einen kleinen Effekt auf die Wolkenbedeckung haben und dass die Sonne diesen beeinflusst. Aber die allermeisten Fachleute sagen, dieser Mechanismus sei sehr schwach. Den Klimawandel der vergangenen Jahrzehnte könne man damit nicht erklären. So wurde es beispielsweise auch in den Berichten des Uno-Klimarats festgehalten.

Die Zunahme von Treibhausgasen ist der treibende Faktor hinter dem Anstieg der Temperaturen in den vergangenen Jahrzehnten – das gilt heute in der Fachwelt als unstrittig.

These: «Das Pflanzen von Wäldern ist das allerbeste Mittel gegen den Klimawandel»

Auf den ersten Blick wirkt die Aussage plausibel. Bäume nehmen Kohlendioxid (CO2) und Wasser auf und produzieren daraus – mithilfe der Fotosynthese – Zucker, der für das Wachstum gebraucht wird. Je mehr Wald es gibt, desto mehr CO2 wird aufgenommen. Jeder neue Baum sollte für das Klima also eine Wohltat sein. Doch so einfach liegen die Dinge nicht, und das hat mehrere Gründe.

Entscheidend für das Klima ist der Nettoeffekt, also die CO2-Aufnahme durch Wachstum und Kohlenstoffspeicherung minus die CO2-Abgabe. Fachleute sagen: Nur ein junger Wald nehme auf jeden Fall netto Kohlendioxid auf. Nach und nach verpufft der Effekt aber, der Kohlenstoffspeicher wächst nicht unbegrenzt. Die Zersetzung von Biomasse oder Brände setzen das Treibhausgas wieder frei. Irgendwann gibt ein Wald dann netto sogar wieder CO2 ab.

Darüber hinaus scheitern viele Aufforstungsprojekte. Denn es genügt nicht, Unmengen von Schösslingen in die Erde zu setzen. Etliche Bedingungen müssen zusammenpassen, damit daraus ein Wald entsteht.

Das Beispiel des Great Green Wall in Afrika, einer «grossen grünen Mauer», stimmt skeptisch. Die Afrikanische Union will in diesem Projekt, das 2007 angestossen wurde, Bäume in der Sahelzone und am Rand der Sahara pflanzen. Die Überlebensrate der neu gepflanzten Bäume beträgt dort meist weniger als 30 Prozent, und vielerorts sinkt der Grundwasserspiegel.

Senegal in Westafrika beteiligt sich an dem Aufforstungsprojekt Great Green Wall.

Senegal in Westafrika beteiligt sich an dem Aufforstungsprojekt Great Green Wall. Bild: Imago

Ein weiterer Punkt: Wer einen Wald anpflanzen will, braucht dafür eine Fläche, die nicht anderweitig genutzt werden kann. In vielen Ländern benötigt man die Böden aber vorrangig für die Landwirtschaft. Wer ein Areal für die Aufforstung reservieren möchte, muss erklären, wohin die Landwirtschaft ausweichen soll.

In manchen Gegenden haben neu gepflanzte Wälder ausserdem einen völlig unerwünschten Effekt: Sie erwärmen die Atmosphäre. Das passiert vor allem in höheren Breitengraden, etwa in Kanada oder Sibirien. Die aufgeforstete Fläche ist dort dunkler als die ursprüngliche, sie absorbiert darum mehr Sonnenlicht, was die Temperatur steigen lässt. Das macht den Vorteil durch aufgenommenes CO2 dann wieder zunichte.

Sind sie gut gemacht, ergeben Aufforstungsprojekte tatsächlich Sinn. Sie nützen auch der Biodiversität, und ausserdem dienen Wälder als Wasserspeicher. Doch für das Klima bringt es oft viel mehr, bestehende Wälder zu schützen, anstatt neue zu pflanzen. Bereits existierende Kohlenstoffspeicher zu bewahren, ist wesentlich einfacher, als zusätzliche Speicher anzulegen.

These: «Der ganze Klimaschutz ist für die Katz, wenn wir nicht das Bevölkerungswachstum senken»

Je weniger Menschen auf der Erde leben, desto besser für das Klima – auf diesen Satz lässt sich die sehr verbreitete These bringen. Viele glauben: All die schönen Anstrengungen für den Klimaschutz sind so gut wie umsonst, weil sie durch das Wachstum der Erdbevölkerung wieder zunichtegemacht werden.

Der Haken an der These: Der Ausstoss von Treibhausgasen ist auf der Erde höchst ungleich verteilt. Viele Menschen rufen geringe Emissionen hervor, eine Minderheit aber sehr hohe. Es sind vor allem wohlhabende Länder mit überschaubarer Bevölkerungszahl, in denen die Emissionen besonders gross sind.

Laut der Internationalen Energieagentur stammte im Jahr 2021 fast die Hälfte der weltweiten energiebezogenen CO2-Emissionen von den 10 Prozent der grössten Emittenten unter den Erdbewohnern.

Gewiss: Gewinnen arme, aber bevölkerungsreiche Länder mit der Zeit an Wohlstand, treibt das die Emissionen zusätzlich in die Höhe. Doch die wichtigste Lösung für das Problem der Emissionen liegt nicht in strikten bevölkerungspolitischen Massnahmen, sondern in der Suche nach emissionsarmen Energiequellen, im Streben nach mehr Energieeffizienz und in Verhaltensänderungen.

Ohnehin hat sich das weltweite Bevölkerungswachstum längst verlangsamt. Die Gesamtbevölkerung könnte laut Prognosen der Uno von heute 8,2 Milliarden bis 2084 noch auf 10,3 Milliarden wachsen – und anschliessend wieder sinken.

These: «Beim Klimaschutz gibt es noch keine echten Erfolge zu verzeichnen»

Die ersten Warnungen vor dem Klimawandel habe es bereits vor 50, 60 Jahren gegeben, doch passiert sei in der Zwischenzeit nichts – solche pessimistische Töne hört man immer wieder. Dabei stimmt das überhaupt nicht, es hat sehr wohl Fortschritte gegeben. Eine andere Entwicklung macht sie aber unsichtbar.

Der weltweite Ausstoss von Treibhausgasen ist lange Zeit gestiegen und verharrt seit einigen Jahren auf einem sehr hohen Niveau. Doch das sind nur die absoluten Zahlen. Pro Wirtschaftsleistung berechnet, sind die Treibhausgasemissionen in allen Industrieländern gesunken.

Der Trend hält schon seit vielen Jahrzehnten an und hat die Welt vor wesentlich höheren Emissionen bewahrt. Die Ursachen liegen vor allem in Effizienzgewinnen und in dem Umstieg auf Energiequellen, die einen geringeren CO2-Ausstoss haben.

In Ländern wie den USA, Frankreich und Deutschland zum Beispiel setzen Industrieanlagen und andere CO2-Quellen pro Wirtschaftsleistung immer weniger von dem Treibhausgas frei. Die Gesamtmenge der Emissionen sinkt dort allerdings viel langsamer, weil die wirtschaftliche Aktivität gleichzeitig zunimmt.

In vielen anderen Ländern steigt die Gesamtmenge der Emissionen nach wie vor. Wo es vorrangig darum geht, die Einwohner aus der Armut zu holen, hat das Wirtschaftswachstum höchste Priorität und es werden noch keine klimafreundlichen Energiequellen genutzt.

Emissionsarme Technologien, die obendrein erschwinglich sind, gelten auch darum als einer der wichtigsten Hebel für einen erfolgreichen Klimaschutz: Nur mit ihnen lässt sich erreichen, dass die weltweiten Emissionen endlich zurückgehen.

Sven Titz, «Neue Zürcher Zeitung» (04.09.2024)

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Dieser Artikel behandelt folgende SDGs

Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, vereinbart von den UN-Mitgliedsstaaten in der Agenda 2030. Sie decken Themen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, erneuerbare Energie, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz der Ozeane und der Biodiversität ab.

7 - Bezahlbare und saubere Energie
10 - Weniger Ungleichheiten
13 - Massnahmen zum Klimaschutz
15 - Leben an Land

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