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Kühe, die sich fast ausschliesslich von Gras ernähren, verbessern die Klimabilanz der Milchproduktion. Bild: Imago

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Klimafreundliche Milch, geht das? Augenschein bei einem Bauernhof, der es versucht

Weil Kühe viel rülpsen, stehen sie im Ruf, den Klimawandel voranzutreiben. Ein Pilotprojekt von Nestlé und Emmi will den Milchproduzenten nun zu mehr Nachhaltigkeit verhelfen. Eine schwierige Aufgabe.

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Das Image der Kuh hat in letzter Zeit erheblichen Schaden genommen. Weil sie in grossen Mengen Methan ausstösst und auch bei der Futterproduktion Treibhausgase entstehen, gilt sie als Klimasünderin. Nicht nur beim Fleisch, sondern auch bei Milchprodukten wird vermehrt darüber diskutiert, wie klimaschädlich ihr Konsum ist. Und ob ein Umstieg von Kuhmilch auf Hafermilch angezeigt ist.

Wie viele klimaschädliche Gase aufgrund der Milchwirtschaft in die Atmosphäre gelangen, lässt sich in Zahlen fassen: Rund 16 Prozent der Treibhausgasemissionen in der Schweiz werden durch die Landwirtschaft verursacht – knapp die Hälfte davon geht auf die Milchproduktion zurück. Diesen Ausstoss auf null zu drücken, ist so gut wie unmöglich. «Kühe rülpsen und furzen nun einmal», sagt Christian Hofer, Direktor des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW).

Doch gibt es Bestrebungen, den CO2-Fussabdruck der Milchwirtschaft zu verringern. «Klimastar Milch» heisst die Initiative – sie ist das umfangreichste und teuerste von insgesamt 34 sogenannten Ressourcenprojekten, mit denen das BLW die Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft verbessern will. Rund 16 Millionen Franken Bundesgelder fliessen in das Programm, an dem schweizweit 230 Milchbetriebe teilnehmen.

Lanciert hat das Pilotprojekt allerdings nicht der Bund selbst, sondern mit Nestlé und Emmi zwei der grössten Milchverarbeiter des Landes. Ihr Ziel: Innerhalb von sechs Jahren müssen die beteiligten Bauern ihre Treibhausgasemissionen um 20 Prozent reduzieren.

Die beiden Unternehmen machen sich nicht aus purem Altruismus für mehr Klimaschutz in der Milchwirtschaft stark. Bis 2050 müssen sie die grüne Null erreichen. Und das schaffen sie nur, wenn auch ihre Lieferanten klimafreundlicher produzieren. «Wir glauben an die Zukunft des Rohstoffs Milch», sagt Eugenio Simioni, Chef von Nestlé Schweiz, «aber unsere Kunden und Mitarbeitenden verlangen von uns, dass diese nachhaltiger produziert wird.»

Auf Milch verzichten kann Nestlé nicht. «Einen gleichwertigen Milchersatz auf pflanzlicher Basis wird es in absehbarer Zeit nicht geben», sagt Simioni. Das gelte für die Schokolade ebenso wie für die Babynahrung, bei der die tierischen Proteine nicht kompensiert werden könnten.

Dem Bund jedoch genügt die Reduktion der Treibhausgase allein nicht. Um weitere Ressourcen zu schonen, hat er darauf gepocht, dass das Projekt mit weiteren Zielen kombiniert wird. So sollen die Bauern den Tieren auch weniger Nahrungsmittel verfüttern, die für Menschen ebenso geeignet sind. Zudem sollen möglichst wenige Flächen für den Futteranbau genutzt werden, die für den Anbau von Nahrungsmitteln für den Menschen prädestiniert wären.

«Kühe sind die effizienteste Art, die vielen Wiesen und Weiden in der Schweiz zu nutzen», sagt Hofer. Aber langfristig sei es für die Umwelt besser, wenn die Milchwirtschaft unabhängiger werde vom Ackerfutter.

Kein Kraftfutter mit Soja und Mais

Einer der 230 Bauern, die am Programm teilnehmen, ist Pascal Bühlmann. Bei einer Besichtigung seines Betriebs in Rothenburg (LU) am vergangenen Mittwoch ist sein Stall leer. Bühlmanns Kühe leben auf einem sogenannten Vollweidebetrieb. Das bedeutet, dass sich das Vieh während der Vegetationsperiode von Mitte März bis November fast ausschliesslich vom Gras auf der Weide ernährt.

Um seine Klimabilanz aufzubessern, verzichtet Bühlmann auf Kraftfutter, das Mais oder Soja enthält. Stattdessen setzt er bei der ergänzenden Tierfütterung auf Nebenprodukte, die aus der Verarbeitung von menschlichen Nahrungsmitteln anfallen, so etwa von Schokolade, Rapsöl und Brotgetreide. Zugleich arbeitet der Innerschweizer Landwirt daran, dass seine Kühe über die gesamte Lebenszeit mehr Milch produzieren. Auch damit können die Emissionen pro Liter gesenkt werden. «Wir wollen mit weniger mehr produzieren», sagt der Landwirt.

Schafft Bühlmann die im Projekt vorgegebenen Zielvorgaben, erhält er für die Verkleinerung des CO2-Fussabdrucks eine Prämie von fünf Rappen pro Kilogramm Milch. Die maximale jährliche Abgeltung pro Betrieb beträgt dabei 30 000 Franken.

Der Hof der Familie Bühlmann in Lügisingen bei Rothenburg. Bild: PD

Der Hof der Familie Bühlmann in Lügisingen bei Rothenburg. Bild: PD

Noch wirken sich die betrieblichen Umstellungen bei Bühlmann nur in bescheidenem Umfang auf die Klimabilanz aus. Als der Landwirt vor zwei Jahren mit dem «Klimastar»-Programm startete, verursachte die Produktion von einem Kilogramm Milch 775 Gramm CO2-Äquivalente. Mittlerweile konnte er die Emission auf 733 Gramm drücken.

Bühlmann geht es damit etwa so wie den meisten der 230 Betriebe, die am Programm teilnehmen. Seit der Lancierung des Projekts konnten sie ihre Treibhausgasemissionen pro Kilogramm Milch um durchschnittlich 4,9 Prozent reduzieren. Immerhin fressen die Kühe aber 20 Prozent weniger Nahrungsmittel, die auch Menschen konsumieren könnten.

Ob die Mehrheit der am Programm beteiligten Betriebe bis in vier Jahren das 20-Prozent-Ziel erreichen, ist jedoch fraglich. «Die Zielvorgaben sind sehr ambitioniert», sagt Rudolf Bigler, Präsident der Milchproduzentenorganisation Aaremilch, die sich am Projekt beteiligt. Das Unterfangen der Bauern, ihren CO2-Fussabdruck zu reduzieren, gleiche häufig einem Trial-und-Error-Verfahren. «Es gibt nicht eine grosse Schraube, an der wir drehen können, sondern ganz viele kleine.» Häufig merke der Landwirt erst im Nachhinein, dass er an der falschen Schraube gedreht habe.

Bigler wertet es bereits als Erfolg, dass die Bauern aufgrund der Initiative überhaupt wissen, wo sie beim Klimaschutz stehen. Dabei zeigen die Daten von «Klimastar», dass die Schweizer Milchproduzenten im Vergleich mit dem Ausland gut dastehen. Ihre Treibhausgasemissionen pro Kilogramm Milch liegen etwa dreimal tiefer als der weltweite Schnitt, was nicht zuletzt daran liegt, dass kaum an einem anderen Ort auf der Welt besseres Grünfutter wächst als im Voralpenraum.

Allerdings gibt es noch viel Luft nach oben. Noch immer ist die Schweizer Landwirtschaft zu grossen Teilen auf Hochleistungskühe ausgerichtet, die von Gras allein nicht satt werden. Sie sind auf Proteine und Kohlenhydrate in konzentrierter Form angewiesen, also auf Soja, Mais und Getreide. Dieses Kraftfutter jedoch stammt zu mehr als der Hälfte aus dem Ausland und ist umwelt- und klimaschädlich.

Der Bund hat das Problem erkannt. Ob er das Anreizsystem des Klimaprojekts auf die gesamte Milchbranche ausweiten will, ist allerdings noch völlig offen. «Es ist nicht der Zweck dieses Projektes, dass daraus direkt Massnahmen entstehen», sagt BLW-Chef Hofer. Primär sollen Erkenntnisse gewonnen werden, um die Milchproduktion nachhaltiger zu gestalten. Neue Instrumente würden soweit sinnvoll in der Agrarpolitik berücksichtigt. Gleichzeitig müsse aber darauf geachtet werden, die Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft zu vereinfachen.

Klimafreundliche Milch ist nicht immer nachhaltig

Einen Schritt weiter ist die Branchenorganisation Milch (BOM). Man könne die Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt bereits anwenden, sagt Geschäftsführer Stefan Kohler. Klimamassnahmen dürften aber nicht auf Kosten des Tierwohls gehen. «Das Problem ist nämlich, dass klimafreundliche Milch nicht zwangsläufig auch am nachhaltigsten ist.» So würden etwa extensive Milchbetriebe meist eine schlechte CO2-Bilanz pro Kilo Milch aufweisen, weil die Kühe deutlich weniger Milch hergeben.

Kohler befürchtet zudem, dass mit der Einführung von finanziellen Anreizen neue Ungerechtigkeiten entstehen. So könnten just jene Bauern bestraft werden, die schon in den vergangenen Jahren viel unternommen hätten, ihren Treibhausgasausstoss zu reduzieren. «Für sie würde es schwieriger, sich zu verbessern.»

Die Branchenorganisation Milch belässt es deshalb vorderhand dabei, flächendeckend einen Klimarechner einzuführen, der sich an das Projekt anlehnt. Auf weitere Beschlüsse konnte sich die Milchwirtschaft beim umstrittenen Thema Klimaschutz bisher noch nicht einigen.

David Vonplon, «Neue Zürcher Zeitung» (03.06.2024)

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Dieser Artikel behandelt folgende SDGs

Die Sustainable Development Goals (SDGs) sind 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung, vereinbart von den UN-Mitgliedsstaaten in der Agenda 2030. Sie decken Themen wie Armutsbekämpfung, Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bildung, Geschlechtergleichheit, sauberes Wasser, erneuerbare Energie, nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Infrastruktur, Klimaschutz und den Schutz der Ozeane und der Biodiversität ab.

12 - Verantwortungvoller Konsum und Produktion

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