Wenn in der jüngsten iFactory von BMW in Debrecen (Ungarn) rund 1000 Industrieroboter aus gut 450 Einzelblechen sowie einigen Aluminiumteilen die Karosserie des neuen BMW iX3 fertigen, erinnert dies an eine perfekt einstudierte Choreografie. Hochpräzise und effizient bewegen sich die Roboterarme im Takt. Pro Karosserie sind 4500 Schweisspunkte nötig. Diese bringen – erstmals in Europa – neuartige Schweisszangen an, die mit Strom statt Luftdruck betrieben werden, was eine deutlich wirkungsvollere Energienutzung erlaubt. Die einzelnen Teile werden nach Möglichkeit so miteinander verbunden, dass sie am Ende ihrer Lebensdauer wieder leicht getrennt werden können und einfach wiederverwertbar sind. Jeder Montageschritt wird von Kameras genau überwacht. Digitale Technologien unterstützen den reibungslosen Ablauf und eine effektive und auch nachhaltigere Produktion.
Effizient, digital und nachhaltiger – am neusten und innovativsten BMWStandort in Debrecen haben die Münchner ihr Konzept der iFactory, dass für alle Werke des Herstellers gilt, so konsequent wie noch an keiner anderen Produktionsstätte umgesetzt. Das iFactory- Prinzip steht für eine Produktion mit schlanken und effizienten Strukturen, einem verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen, dem gezielten Einsatz digitaler Innovationen sowie dem Fokus auf die Mitarbeitenden.
Digitaler Zwilling
In diesem Sinne wurde das Werk in Debrecen vollständig digital geplant und zunächst als virtuelle Fabrik realisiert. Bereits im März 2023 erfolgte der virtuelle Produktionsanlauf, wodurch alle Prozesse vorab getestet und die realen Produktionslinien anschliessend präzise nach dem digitalen Zwilling aufgebaut werden konnten. Erstmals orientiert sich damit ein Produktionsstandort nicht an einem einzelnen Leitwerk der BMW Group. Stattdessen bündelt er das Know-how aus zahlreichen weltweiten Standorten, um eine effiziente und dennoch emissionsarme Produktionsstätte zu schaffen.
Verzicht auf fossile Brennstoffe
Einen entscheidenden Beitrag zur Reduktion der CO₂e-Emissionen in der Produktion des neuen BMW iX3 leistet die Lackiererei. Während Lackierereien traditionell mit Gas betrieben werden, um die hohen Temperaturen von bis zu 180 Grad Celsius zu erreichen, setzt das BMW-Werk in Debrecen vollständig auf Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Auf fossile Brennstoffe wie Öl oder Gas wird im Normalbetrieb gänzlich verzichtet. Stattdessen deckt eine 50 Hektar grosse Photovoltaikanlage bis zu 25 Prozent des jährlichen Strombedarfs des Werks direkt vor Ort ab. Fällt überschüssiger Solarstrom an – beispielsweise an arbeitsfreien Tagen –, wird dieser in einem 1800 Kubikmeter grossen Wärmespeicher gesammelt, mit dem die Produktion auch an kalten Wintertagen warm gehalten werden kann.
Durch den Einsatz erneuerbarer Energiequellen können allein in der Lackiererei jährlich bis zu 12 000 Tonnen CO₂e eingespart werden. Dies entspricht rund 60 000 Flügen von Zürich nach New York – also etwa 165 Flüge pro Tag: ein beeindruckender Wert.
Die konsequente Ausrichtung auf Nachhaltigkeit und ressourcenschonende Prozesse zieht sich durch die gesamte iFactory – oftmals unterstützt durch digitale Technologien. Im Presswerk beispielsweise, wo aus Stahl- und Alublechen die ersten Karosseriebauteile für ein neues Fahrzeug entstehen und das Metall unter dem hohen Druck der Pressen geformt wird, übernehmen digitale Lösungen wichtige Hilfsfunktionen. Kameras überwachen den Vorgang, eine KI erkennt beim Vergleich mit hinterlegten Referenzbildern automatisch mögliche Risse im Material und zeigt diese auf einem Bildschirm an. Mangelhafte Teile sowie bis zu 60 Tonnen Verschnitt, die jeden Tag bei Vollauslastung des Werks anfallen, werden – wie in anderen Werken der BMW Group auch – in einen geschlossenen Materialkreislauf für Stahl- und Alu-Blechabfälle überführt. Eine etwa 300 Meter lange Fördertechnik transportiert die Metallreste zum Verladen. Das gesammelte Material wird ausserhalb des Werks recycelt und für die Herstellung von neuen Stahloder Alu-Metallbahnen verwendet.
In der BMW-iFactory bilden Maschinen, Fahrzeuge, Logistiksysteme und die Menschen zusammen ein Ökosystem. Auf grossen Bildschirmen ist sichtbar, wo Material knapp wird, wann eine Maschine gewartet werden muss oder wie sich die Geschwindigkeit einzelner Linien verändert. Meldet eine Anlage erste Schwächen, informiert sie automatisch das Wartungsteam, lange bevor die Maschine zu einem Stillstand kommt. Dank der vorausschauenden Instandhaltung, wie sie in Debrecen Alltag ist, können kostspielige Ausfälle und Ressourcenverschwendung vermieden werden.
Trotz aller Automatisierung bleibt der Mensch in der iFactory von BMW ein zentrales Element des Systems. Am neuen Standort arbeiten Fachkräfte, die mit Daten ebenso vertraut sind wie mit Werkzeugen, wobei Tablets Papierlisten ersetzen, während Augmented-Reality- Brillen am Objekt aufzeigen, wo ein Bauteil eingesetzt werden muss.
Die Montageplätze sind ergonomisch gestaltet, Roboter übernehmen monotone Arbeiten, Menschen sichern Qualität und Prozessstabilität. BMW nennt dies «kollaborative Produktion». Es geht nicht darum, Menschen zu ersetzen, sondern sie durch Technik zu entlasten und besser in die Abläufe einzubinden.