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Das «weisse Gold» aus einer Gesteinsprobe im französischen Kaolin-Bergwerk, wo bald  Lithium im grossen Stil abgebaut werden soll.

Das «weisse Gold» aus einer Gesteinsprobe im französischen Kaolin-Bergwerk, wo bald Lithium im grossen Stil abgebaut werden soll. Bild: Imago

Klima & Energie

Die neue Suche nach Bodenschätzen

Die französische Regierung will den Bergbau fördern, um die Energiewende voran zu bringen. Doch an den Plänen entzündet sich Kritik. Es geht um die Schäden, die mit dem Abbau der begehrten Erze verbunden sind.

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Die neue Suche nach Bodenschätzen

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Gold, Kupfer, Blei, Zink, Lithium: Der französische Untergrund ist reich an Bodenschätzen. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich nur kaum jemand dafür interessiert. Das ändert sich jetzt. «Silizium für Mikrochips, Kobalt und Lithium für Batterien, Platin für Elektrolyseapparate... Wir wollen international mithalten können», sagt Industrieminister Marc Ferracci bei einem Besuch des Amtes für geologische und mineralische Forschung (BRGM) in Orléans. «Deshalb müssen wir wissen, welche Metalle bei uns lagern, und wo genau.»

Das BRGM hat sein letztes Bergbauinventar vor 30 Jahren abgeschlossen. Damals haben die Geologen nur 22 Mineralien gesucht. Lithium etwa war nicht dabei – weil es selten gebraucht wurde. Mittlerweile ist das «weisse Gold» eines der gefragtesten Metalle weltweit. Die Behörde arbeitet jetzt an einer neuen Bestandsaufnahme, sie soll 55 Mineralien ausweisen und Erkenntnisse bis zu 1000 Meter Tiefe vermitteln.

Arbeiten im Kaolin-Bergwerk in der Auvergne, wo Lithium abgebaut werden soll. Bild. Imago

Hinweise auf Bodenschätze lassen sich heute selbst aus der Luft erkennen. Ein Film zeigt dem Minister, wie ein Hubschrauber über Felskuppen, Wälder, Wiesen und Dörfer fliegt. Ein sechseckiges Gestänge ist daran aufgehängt, es schwebt wie ein Rahmen über der Landschaft. Ein Stromkabel dient der Magnetfeldmessung. Die geophysikalische Erkundungsmethode von oben kann grosse und auch schwer zugängliche Gebiete abdecken.

Als erstes werden vier Gebirgszüge in Frankreich untersucht und eine Gegend in Französisch-Guyana. «Für das gesamte Projekt veranschlagen wir fünf Jahre, aber wir hoffen, dass wir schon zum Jahresende erste Resultate liefern können», sagt Karim Ben Slimane. Der Ingenieur ist mit einem Team von 15 Leuten für das Inventar verantwortlich.

Sein Ministerium werde der Bevölkerung erklären, warum der Bergbau gefördert werden müsse, sagt Marc Ferracci in Orléans. «Ich weiss genau: neue Minen stossen auf Widerstand, manche Vorbehalte sind durchaus legitim. Aber wir brauchen Mineralien für die ökologische Wende.»

Windräder, Photovoltaikanlagen, E-Mobilität und die Digitalisierung verschlingen Unmengen von Erzen und seltenen Erden. Nicht nur der Industrieminister, auch die EU-Kommission sagt, dass Bergbau im Kampf gegen den Klimawandel unverzichtbar sei.

Célia Izoard sieht das anders. Die Journalistin hat ein Buch geschrieben über «La ruée minière», den «Minen-Rausch im 21. Jahrhundert». Darin zeigt sie anhand vieler konkreter Beispiele auf, warum Bergbau ihrer Ansicht nach nicht «nachhaltig» und «verantwortungsvoll» sein kann. Und dass jede einzelne Mine vielmehr schwere, nicht behebbare Schäden verursacht, so genannte Ewigkeitsschäden.

Für Buchautorin Célia Izoard steht fest: Der Bergbau ist nicht nachhaltig. Bild: Nuuk Photographie

Der grüne Mantel sei dem Bergbau erst nach dem Pariser Klimaabkommen umgehängt worden. «Der Vertrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen von 2015 wurde so interpretiert, dass neue Technologien entwickelt werden müssen, um die fossilen Energien durch grünen Strom ersetzen zu können. Den Verbrauch zu senken, das ist nicht das Ziel. Die Energiequelle soll eine andere sein», kritisert Izoard bei einem Vortragsabend in Montluçon, einer Industriestadt in der Auvergne, wo nun eine Fabrik zur Herstellung von Lithiumhydroxid für Batterien entstehen soll. «Um den angeblich ‚sauberen‘ Strom produzieren und speichern zu können, werden Unmengen von Metalle gebraucht.»

Zu dieser Entwicklung habe die Weltbank erheblich beigetragen, sagt die Journalistin. Sie hat 2017 einen Bericht veröffentlicht mit dem Titel «Die wachsende Rolle von Metallen und Mineralien für eine kohlenstoffarme Zukunft». Darin dankt sie für die Mitarbeit des «International Council on Mining and Metals». So heisst eine Bergbaulobby, in der die 27 grössten westlichen Bergbau-Unternehmen vertreten sind. «Und so bekommt die Bergbauindustrie weltweit grünes Licht für den Zugriff auf den Untergrund», sagt Izoard. «Auch andere Branchen begrüssen die Entwicklung, denn sie nutzen ebenfalls Metalle: Elektronik, Bauwirtschaft, Satelliten, Rüstungsindustrie.»

Viele Franzosen waren überrascht, als sie im Oktober 2022 erfuhren, dass in der Auvergne über 100 Millionen Tonnen Lithium lagern und Imerys das Leichtmetall abbauen will. Bild: Imago

Die Journalistin hält viele der üblichen Argumente der Befürworter für falsch. Zum Beispiel die Behauptung: ´Besser ein Bergwerk in Frankreich als in Ländern ohne Umweltschutz-Auflagen´. Für sie steht fest, dass neue Minen in Europa keine einzige Mine in Afrika oder China ersetzen, sondern dass es schlicht zusätzliche Bergwerke sein werden. Oder den Hinweis auf das eigene Smartphone, in dem jeweils über 50 verschiedene Metalle verbaut sind.

«Ständig wird gesagt: Zeig mir dein Handy und ich erkläre dir, warum dieses oder jenes Bergwerk gebraucht wird. Soll heissen: Wir alle sind mit verantwortlich. Aber das Smartphone beruht auf einer Infrastruktur, die uns aufgedrängt wird. Die kalifornischen Tech-Giganten haben so viel Kapital angehäuft, dass sie immer neue Objekte entwickeln und weltweit verbreiten können. 2007 das Smartphone, heute die Künstliche Intelligenz.»

Unter diesem Krater im Kaolin-Bergwerk soll Lithium abgebaut werden. Für Buchautorin Célia Izoard nur ein weiteres Bergwerk - trotz der Umweltschutz-Auflagen. Bild: Imago

Für Célia Izoard steht fest: Erneuerbare Energiequellen können den Klimawandel nur dann bremsen, wenn wir uns einschränken und genau abwägen, welche Bedürfnisse wirklich wichtig sind. «Ich weiss zu viel über die immensen Schäden, die der Abbau von Metallen anrichtet. Ich selbst habe deshalb auch kein Smartphone, sondern nur ein altes Tastentelefon. Aber was ich für mich entscheide, ist unwichtig. Das Thema Bergbau ist ein gesellschaftliches, ein politisches Problem.»

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