Die internationale politische Lage erschwert Verhandlungen
Die Verhandlungen Mitte April fanden derweil vor einem geopolitischen Hintergrund statt, der schwieriger wohl kaum hätte sein können.
Die Trump-Regierung schickte keine Delegation nach London. In Washington ging derweil die Arbeit daran weiter, internationale und lokale Klimavorschriften auszuhebeln. Gleichzeitig belastet die amerikanische Zollpolitik Handelsbeziehungen weltweit.
Beteiligte sagen, dass das Ergebnis auch wichtig gewesen sei, um zu signalisieren, dass die internationale Zusammenarbeit in Klimafragen weitergehe. «Zu sehen und zu hören, wie etwa China und Brasilien ‹Ja› sagen, auch Indien, und die EU-27 und andere Länder – das war wirklich ein grosser Moment», erzählt Guy Platten, der Generalsekretär der Internationalen Schifffahrtskammer (ICS), vom Verhandlungsende. Es sei die erste weltweite CO2-Bepreisung überhaupt. Saudiarabien, aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Russland haben derweil laut Beobachtern gegen die Auflagen gestimmt.
Aber auch Platten ist von den nun beschlossenen Emissionsvorgaben nicht vollkommen überzeugt. Denn die ICS hatte zusammen mit einer Allianz von Ländern, darunter Inselstaaten, afrikanische Länder, die EU und andere grosse Industriestaaten, im Vorfeld der Verhandlungen einen gemeinsamen Vorschlag für eine Treibhausgas-Abgabe vorgelegt. Obwohl die Allianz eigentlich eine Mehrheit zusammengebracht hat, kam ihr Vorschlag an den Petro-Staaten und grossen Schwellenländern nicht vorbei.
Das Ziel des gemeinsamen Vorstosses? «Das Kostengefälle zwischen Treibstoffen mit null oder nahezu null Treibhausgasemissionen, allen voran grünes Methanol, Ammoniak und Wasserstoff, und herkömmlichen Treibstoffen in der Schifffahrt zu verringern.» Gleichzeitig sollten die Einnahmen dazu verwendet werden, die Herstellung und den Einsatz von grünen Treibstoffen zu belohnen. Auch würde die Branche so jährlich mehrere Milliarden Dollar zur Unterstützung vom Klimawandel betroffener Entwicklungsländer bereitstellen – ein hart umkämpftes Anliegen für viele Regierungen.
Der nun angenommene Kompromiss ist schwächer, die geplante Abgabe sehr viel geringer, die erwarteten Einnahmen sind kleiner. Das sagen nicht nur die bitter enttäuschten Inselstaaten, sie können die Umstellung auf grüne Technologien finanziell allein nicht stemmen. Auch Forscher wie Smith und Platten von der Handelskammer sagen das in Gesprächen.
Laut den Experten der UCL werden die geplanten Regelungen in den kommenden Jahren nicht genügend Anreize für die benötigten Investitionen in die branchenweite Energiewende schaffen. Die Sorge teilt auch Platten.
Für den ICS, der die Schifffahrtsunternehmer vertritt, geht es nun vor allem um eine Sache: darum, sicherzustellen, dass das endgültige Bepreisungssystem Lieferanten von Kraftstoffen dazu bringen wird, die grünen Alternativen in grossem Umfang herzustellen. «Es geht nicht nur um ein paar hunderttausend Tonnen grüner Kraftstoffe», sagt Platten. «Sondern um Millionen und Hunderte von Millionen Tonnen neuer Brennstoffe, die benötigt werden, um die 300 Millionen Tonnen fossiler Brennstoffe zu ersetzen, die derzeit verwendet werden.»
Sonst, sagt er, «handelt es sich nur um eine Steuer für die Wirtschaft». Das klimapolitische Ziel sei damit sicher nicht erreicht, am Ende geben Unternehmen Strafzahlungen einfach an die Kunden weiter und preisen sie als zusätzliche Kosten in ihr Geschäft ein.
Der dänische Konzern Maersk – das zweitgrösste Schifffahrtsunternehmen der Welt – hatte sich beispielsweise für eine Abgabe von 600 Dollar pro Tonne CO2 ausgesprochen. Das Unternehmen investiert schon heute in die teuren grünen Alternativen, für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit sind ambitionierte und verpflichtende Emissionsregeln zentral.
Für Morten Bo Christiansen, der für Maersk das Thema Energiewende betreut, ist das Ergebnis dennoch ein erster guter Kompromiss. Er schreibt auf Linkedin, dass die Kombination aus Belohnung und Zertifikatehandel Treibstoffe mit stark reduzierten Emissionen belohnen würde. Die Preisschere zu fossilen Kraftstoffen werde aber «wohl nicht vollständig geschlossen werden».
Es steht also noch viel Arbeit an. Auch Morten Bo Christiansen weist warnend darauf hin, dass zukünftige Strafzahlungen «zu einer finanziell attraktiven Option» werden könnten. Die Branche werde sich in den kommenden Wochen im Rahmen der ICS zusammensetzen, um herauszuarbeiten, was genau auf die Unternehmen nun zukomme, sagt Platten und fügt hinzu: «Der Teufel steckt im Detail.»