Verzicht fällt auch hierzulande schwer
Trotz des erhöhten ökologischen Bewusstseins in der Schweiz: Geht es um alltägliche Handlungen und – als deren Folge – Einschränkungen zu Gunsten der Umwelt, sind die Entscheidungen auch hierzulande nicht immer kongruent. Dabei fällt auf, dass den Leuten vor allem im Bereich der Alltagsmobilität ein Verzicht schwerzufallen scheint. Erleichtert würde ein klimafreundliches Verhalten durch finanzielle Anreize – oder mit Hilfe von neuen, nachhaltigen Technologien. «Wenn dafür aber eine Rechnung präsentiert wird, dann rücken die Leute auch in der Schweiz bald einmal von ihren Idealen ab – selbst wenn sie eigentlich wissen, dass der Klimawandel stattfindet », erklärt Hermann. Diese Haltung wurde sowohl in den älteren als auch in den jüngeren Generationen festgestellt.
Unter diesen Voraussetzungen Klimamassnahmen umzusetzen, die das Haushaltsbudget strapazieren, kommt einer Herkulesaufgabe gleich. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei das politische System in der Schweiz, das seinen Bürgerinnen und Bürgern zahlreiche Mitspracheund Entscheidungsrechte gewährt. Hinzu kommt, dass in der Eidgenossenschaft Gesetzesvorgaben und Verbote ohnehin auf wenig Gegenliebe stossen, wie auch die aktuelle Umfrage erneut bestätigt hat.
«Was es stattdessen braucht, ist Aufklärung. Man muss den Leuten die positiven Aspekte des Zukunftswandels schmackhaft machen», ist Trend- und Zukunftsforscherin Christiane Varga überzeugt. Auf die Dauer sei dieses Vorgehen auch kostengünstiger, als wenn man den Leuten Verbote vorsetzt. Einfach zu verwirklichen sei dieses Vorhaben allerdings nicht. «Vielen Menschen machen Veränderungen Angst – nicht erst seit dem Klimawandel », so Varga. Umso mehr müsse man aufzeigen, wie viel Gestaltungsspielraum die Zukunft biete. «Und dass es lustvoll ist, diese gemeinsam mitzugestalten.»
Deutlich spürbar ist diese Zukunftsangst auch im Bereich der Digitalisierung und den neuen Technologien. Wobei Letztere im Zusammenhang mit dem Erhalt der Lebensräume gemäss der Studie der BKW durchaus positiv bewertet werden: Die Solar- und Wasserstofftechnologie, intelligente Energiesparlösungen oder neue Anwendungen zur Verbesserung der Energieeffizienz wecken die Hoffnung auf eine möglichst schmerzfreie Transition der Wirtschaft. Der schnelle digitale Wandel dagegen erhöht die Verunsicherung. «Es gilt, einen Weg zu finden, wie man die digitale Infrastruktur und das analoge Leben möglichst sinnvoll miteinander verknüpft», so Varga. Wie reibungslos dies vonstatten gehen werde, sei angesichts der sehr heterogenen und zum Teil auch widersprüchlich agierenden Gesellschaft allerdings offen.
Ein einfaches Beispiel für eine solche Anwendung, die neue Technologien für die Verbesserung der Energieeffizienz nutzt, sind intelligente Strassenbeleuchtungen. Sie erhellen die Nacht nur dann, wenn es für den Verkehr und die Passantinnen und Passanten wirklich nötig ist. Damit lässt sich viel Energie einsparen, ohne auf Komfort oder ein erhöhtes Sicherheitsempfinden verzichten zu müssen, was in der Bevölkerung auf breite Akzeptanz trifft. Gleichzeitig wird ein weiterer erfreulicher Nebeneffekt erzielt: Die Lichtverschmutzung nimmt ab.
«Heute ist ein Sternenhimmel in der Nacht kaum noch zu erkennen», bedauert Varga. Auch durch solche Einflüsse habe vielerorts eine gewisse Entfremdung mit der Natur stattgefunden. «Smarte Lösungen wie die intelligenten Strassenbeleuchtungen sind eigentlich vergleichsweise simpel und logisch – man muss aber erst darauf kommen», so die Zukunfts- und Lebensraumforscherin.
Plattform für Innovation und konstruktiven Dialog
An diesem Punkt setzt die Initiative «Lebensräume 2025» der BKW an. Die Plattform schafft über verschiedene Ateliers Freiräume für die Zusammenarbeit und einen konstruktiven Dialog zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Dabei werden in unterschiedlichen Formaten konkrete Fragestellungen zu den Lebensräumen der Zukunft und deren Ausgestaltung gemeinsam diskutiert. Der Austausch zwischen den verschiedenen internen und externen Anspruchsgruppen soll dabei die Basis bilden für innovative Lösungsansätze und neue Projekte. Bis 2025 ist geplant, dass erste Fortschritte präsentiert werden können.
Zuerst gilt es jedoch, den positiven Schwung zu Gunsten von Natur und Umwelt, der laut der Studie hierzulande bereits vorhanden und verankert ist, zu nutzen und die Menschen zum Handeln zu bewegen. «Die Voraussetzungen sind eigentlich gut: Die Leute machen mit, sind interessiert und wollen etwas verändern », sagt Varga. Mit Hilfe von Wirkungsplattformen wie der Initiative «Lebensräume 2025» sollte sich daher viel Positives erreichen lassen. Denn: «Man darf nicht alleine darauf vertrauen, dass das Handeln auch den Idealen folgt – selbst wenn das Bewusstsein für die anstehenden Herausforderungen in der Schweiz schon breit verankert ist», so Sotomo-Chef Michael Hermann.