Die Agentur, die auf eine 200-jährige Geschichte zurückblickt, vereint eine Vielzahl von Aufgaben. Dazu gehören tägliche Wettervorhersagen, Sturmwarnungen sowie wissenschaftliche Messungen zum Klimawandel – Informationen, von denen nicht nur amerikanische Bürgerinnen und Bürger, sondern auch private Unternehmen abhängen.
«Jeder einzelne Dollar unserer Wirtschaft wird durch das Wetter beeinflusst», schimpfte ein lokaler Meteorologe auf X gegenüber seinem Publikum: «Die Landwirtschaft, das Energiesystem, der Reiseverkehr, die Verteidigung, die Logistik aller grossen Unternehmen . . . Ihr seht, was ich meine.»
Jane Lubchenco, eine internationale Grösse in der Meeresforschung und ehemalige Verwalterin der NOAA-Behörde, kritisierte die Massenentlassungen nicht nur «als eine nationale Katastrophe» scharf. Sie seien auch eine «kolossale Geldverschwendung». Die Amerikanische Gesellschaft der Meteorologen bezifferte den ökonomischen Mehrwert, der durch die frei zugänglichen Dienstleistungen und Wetter- und Klimainformationen geschaffen werde, auf über 100 Milliarden Dollar pro Jahr. Das entspreche etwa dem Zehnfachen der Investitionen durch die amerikanischen Steuerzahler.
Aber auch Wissenschafter aus der ganzen Welt verlassen sich auf das geballte Wissen der Agentur. NOAA sei weltweit die grösste staatliche Forschungsinstitution in den Bereichen Klima, Ozean und Wetter, sagt Andreas Oschlies, Leiter der Forschungseinheit Biogeochemische Modellierung am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.
Er und seine Kollegen beziehen nicht nur NOAA-Daten für ihre Arbeit. Sie wenden auch Klima- und Wettermodelle als zentrale Bausteine in ihrer Forschungsarbeit an, die von dortigen Wissenschaftern entwickelt wurden.
Die Entlassungen würden jetzt genau diese Kompetenz ins Wanken bringen und Fragen zum zukünftigen Umfang und Austausch der Daten aufwerfen. «NOAA hat 18 Wettersatelliten, von denen auch wir unsere Daten bekommen. Diese Infrastruktur muss betrieben werden. Es muss ständig etwas gewartet werden. Das erfordert Rundumbetreuung», sagt er im Gespräch. Die Frage, die sich jetzt stelle, so Oschlies: «Hat man noch das Personal, das zum Betrieb erforderlich ist?»
In den USA sagen Forscher schon jetzt: Nein. Es gibt erste Warnungen, dass einige Regionalzentren des Nationalen Wetterdienstes ihrer Arbeit nicht nachkommen könnten, weil ihnen das Personal fehle. Oschlies sagt, das könne längerfristig auch Auswirkungen auf die Qualität des Wetterdiensts in Deutschland haben: «Wenn wir keine guten Daten haben oder diese zu spät bekommen, dann können auch die deutschen Wettermodelle nicht mehr so gut rechnen.»
Oschlies macht sich zudem Sorgen, dass NOAA-Daten und Klimamodelle nicht mehr so leicht zugänglich sein werden. Das könnte auch seine Forschungsarbeiten erschweren.
Die Behörde betreibt unter anderem die weltweite Datenbank für Ozeane, «ein enorm wichtiges Werkzeug», sagt Oschlies. Sie vereine all jene Informationen, die notwendig seien, um beispielsweise die Daten zur Erwärmung oder zur Versauerung der Ozeane zu erheben. Normalerweise können einfach Daten von der Website genutzt werden. Jetzt habe man aber aus Sicherheit schon eine Kopie heruntergeladen. Die Entlassungen könnten in Zukunft womöglich auch die Qualitätskontrolle der Daten beeinträchtigen.
Auch viele der wichtigen weltweiten Klimamodelle werden in den amerikanischen Forschungsinstituten erstellt und weiterentwickelt. Oschlies sagt, seine Arbeit baue insbesondere auf zwei Modellen auf, die von NOAA-Wissenschaftern und -Programmierern weiterentwickelt würden. «Wir benutzen sie und haben uns immer darauf verlassen, dass das bereitgestellt wird.»
Selbst die Software, mit der für die Meeresforschung und die Meteorologie relevante Daten analysiert und visualisiert würden – als «Ferret» bekannt –, sei bei NOAA entwickelt worden und sei bislang frei zugängig. Jetzt wisse man nicht mehr, ob man die für die Modelle benötigten Codes auch in Zukunft einfach herunterladen könne, sagt Oschlies. Und auch in diesem Fall habe sein Team schon Sicherheitskopien erstellt, fügt er hinzu.
Was deutlich wird: Die Entwicklungen der letzten Tage haben eine Gewissheit der vergangenen Jahre erschüttert. Der freie Zugang zu zentralisierten Wetter- und Klimadaten und den dazugehörigen Dienstleistungen ist nicht mehr einfach so gegeben.
Dabei sei der transparente Austausch von Informationen und Know-how nicht nur «ein Service für die Weltforschungsgemeinschaft» gewesen, sagt Oschlies. Davon profitierten auch die Amerikaner. «Die USA sind auf diesen Gebieten führend, weil sie die Strukturen so stark und über Jahrzehnte hinaus verlässlich finanziert haben, und die Welt hat sich daran gewöhnt, dass das gut funktioniert.»