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Hat die Energiewende Vorrang vor Naturschutz?
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Hat die Energiewende Vorrang vor Naturschutz?

Um künftig genügend erneuerbare Energien zu produzieren, müssen Solar-, Wind- und Wasserkraft massiv ausgebaut werden. Doch grössere Stauseen, Solaranlagen oder Windräder verbrauchen Fläche – oft werden wertvolle Naturräume dadurch beeinträchtigt. Ist Ökostrom wichtiger als Naturschutz? Wie würden Sie entscheiden? Hier die Argumente dafür und dagegen.

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Für den raschen Ausbau von Ökostrom

Die Energiewende kann nicht warten!

75 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer wollen eine schnellere Energiewende. Befürworterinnen und Befürworter des schnellen Ausbaus nachhaltiger Energie argumentieren, dass keine Zeit zu verschwenden sei. Es geht schliesslich ums Klima. Sie gehen davon aus, dass die Bevölkerung und die Industrie in den kommenden Jahren umsteigen werden: von der Ölheizung zur Wärmepumpe, vom benzinbetriebenen PKW zum Elektroauto, vom Gasbrenner zu alternativen Technologien. Das alles erfordert Strom. Noch mehr Strom. Wird dieser nicht nachhaltig produziert, nutzt die Energiewende wenig, da man zur Deckung des steigenden Bedarfs ausländischen AKW-Strom oder sogar Elektrizität aus Gaskraftwerken importieren muss. Nach Ansicht der Befürworterinnen und Befürworter ist darum ein schneller und massiver Ausbau von Wind-, Solar- und Wasserkraft sowie der Verstromung von Biomasse in der Schweiz erforderlich.

Zu strenge und zu starre Regulatorien verzögern die Energiewende. Befürworterinnen und Befürworter des Ausbaus erneuerbarer Energien argumentieren, dass Naturschutz zwar wichtig sei, aber bei Projekten von nationaler Bedeutung nicht automatisch Vorrang haben sollte. Gesetze und Verordnungen seien so zu gestalten, dass im Einzelfall zwischen dem Nutzen für die Gesellschaft und berechtigten Naturschutzinteressen abgewogen werden könne.

Die Versorgungssicherheit muss gewährleistet sein. Die Schweiz ist im Winterhalbjahr noch immer auf Stromimporte angewiesen. Um diese Abhängigkeit zu minimieren, sollten nach Meinung der Befürworterinnen und Befürworter jene Anlagen, die in den kalten Monaten Strom produzieren, Priorität eingeräumt werden. Die Versorgungssicherheit ist auch für eine Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer das wichtigste Kriterium in der Stromfrage, wie eine Umfrage des Verbands Schweizerische Elektrizitätsunternehmen VSE gezeigt hat. Dafür nehmen die Befragten auch Einschränkungen beim Naturschutz oder einen höheren Strompreis in Kauf.

Für einen konsequenten Umweltschutz

Energiewende auf Kosten der Natur ist verantwortungslos!

Der Ausbau erneuerbarer Energien bedroht seltene Naturräume. Dass der Ausbau von erneuerbarer Energie wichtig sei, betonen auch die Befürworterinnen und Befürworter eines konsequenten Naturschutzes. Schliesslich bedroht der Klimawandel auch die Biodiversität. Der Bau neuer Wind-, Solar- und Wasserkraftwerke wird für die Befürworterseite jedoch zum Problem, wenn dafür wertvolle Naturflächen beeinträchtigt oder sogar zerstört werden. Auf Widerstand stösst, dass in der Schweiz für eine rasche Energiewende nun sogar Biotope von nationaler Bedeutung als Standorte für Kraftwerke in Frage kommen sollen. Das sei nicht hinnehmbar, heisst es.

Bedrohte Flächen weisen eine enorme Artenvielfalt auf.
In Landschaften wie etwa der Greina-Hochebene in Graubünden leben heute rund ein Drittel aller bedrohten Tier- und Pflanzenarten der Schweiz – auf gerade einmal zwei Prozent der Landesfläche. Die Biodiversität in den letzten wilden Flächen hierzulande Schweiz ist enorm gross. Kritikerinnen und Kritiker des Ausbaus erneuerbarer Energien wenden sich gegen neue Grünstromanlagen, wenn diese zur Zerstörung geschützter Naturflächen führen. Die Biodiversitätskrise in der Schweiz würde sonst weiter verschärft. Auf dem Spiel stehe der Verlust von Tier- und Pflanzenarten, Naturlandschaften sowie der biologischen und genetischen Vielfalt.

Für neue Energien können bereits bebaute Flächen genutzt werden. Der Ausbau von erneuerbaren Energien muss nicht unbedingt in abgelegenen Naturräumen erfolgen. Geht es zum Beispiel um Solarenergie, hat die Schweiz noch grosses Potenzial, auf bereits bebaute Flächen zurückzugreifen: Erst 2,5 Prozent der Dachflächen sind hierzulande mit Solarpanels ausgestattet (Stand 2022).

Naturschutz und Klimaschutz müssen Hand in Hand gehen. Für Naturschützerinnen und Naturschützer geht es bei der Energiewende ums grosse Ganze. Sie betonen, dass der Ausbau erneuerbarer Energien nicht auf Kosten der Biodiversität gehen dürfe. Gefragt seien Lösungen, die Klimaschutz einerseits und Naturschutz andererseits vereinen und nicht gegeneinander ausspielen. Diese Position wird allerdings auch von denjenigen vertreten, die die Energiewende für besonders dringlich halten.

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