Seit je treibt die Menschheit die Frage um, wie sich das Leben verlängern und Altersgebrechen verhindern oder zumindest hinauszögern lassen. Ein besonders wirksamer, wenngleich wenig attraktiver Weg dorthin ist Fasten.
Bei Mäusen kann periodischer Nahrungsentzug oder eine kalorienreduzierte Ernährung jedenfalls die Lebensuhr merklich zurückstellen und die gesunde Lebensspanne zugleich verlängern. Dies, weil viele zelluläre Prozesse dabei effizienter ablaufen, darunter das Recycling von Proteinabfällen, die Entsorgung gealterter – sogenannter seneszenter – Zellen, und die Reparatur von DNA-Schäden.
Bei Tier und Mensch erhöht Fasten darüber hinaus die Ansprechbarkeit der Muskeln und anderer Gewebe auf Insulin – jenes Hormon, das den Energielieferanten Zucker in die Zellen schleust. Parallel dazu sinkt der Blutzuckerspiegel und damit auch die Insulinausschüttung aus der Bauchspeicheldrüse. Dauerhaft erhöhte Insulinwerte sind für den Körper hingegen eine enorme Belastung. Denn sie begünstigen die Entstehung von Dickleibigkeit und Diabetes und beschleunigen obendrein den Alterungsprozess.
Stets vor halbleeren Tellern zu sitzen, ist für die meisten Menschen freilich keine Option. Wissenschafter aus aller Welt suchen daher schon lange nach Mitteln und Wegen, wie sich die molekularen Altersbremsen auch ohne ständigen Nahrungsverzicht betätigen lassen. Zu den führenden Köpfen zählen dabei Forschende um James Kirkland von der Mayo Clinic in Rochester.
Wie diese in Zellkulturexperimenten herausgefunden haben, bessert sich die mangelnde Insulinempfindlichkeit des Fettgewebes von dickleibigen Patienten, wenn man die Zellen in eine Lösung mit Senolytika taucht: Das sind Verbindungen, die gealterte Zellen in den Untergang treiben, ohne gesunde zu behelligen.
In Mausstudien sind die Wissenschafter nun der Frage nachgegangen, welche Art von seneszenten Zellen einer solchen Insulinresistenz Vorschub leistet. Ihr Augenmerk richteten sie dabei auf die Innenwand von Blutgefässen, das Endothel. Schädigungen dieser Zellschicht sind die treibende Kraft einer Vielzahl von alterstypischen Krankheiten, darunter Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Ausgesprochen heilsame Wirkungen
Um den Einfluss seneszenter Endothelzellen auf den Zuckerstoffwechsel im Detail untersuchen zu können, verwendeten die amerikanischen Forscher adipöse Mäuse, deren Endothelzellen im seneszenten Zustand – dank einem gentechnisch eingeschleusten «Selbstmord-Gen» – entsorgt werden konnten.
Wie sie im Journal «Cell Metabolism» berichten, hatte die Elimination der gealterten Gefässzellen ausgesprochen heilsame Wirkungen. In der Folge sanken die erhöhten Blutzuckerspiegel der fettleibigen Nager, die Insulinempfindlichkeit ihrer Gewebe besserte sich, die unterschwelligen Entzündungen klangen ab, und die Durchblutung ihres Gewebes nahm zu. Vergleichbar günstige Effekte erzeugte eine Fütterung mit dem Senolytikum Fisetin, einem in vielen Gemüse- und Obstsorten enthaltenen Flavonol.
Um sicherzugehen, dass die seneszenten Endothelzellen tatsächlich die Ursache der metabolischen Störungen waren, drehten die Forscher den Versuch um – sie pflanzten gealterte Gefässzellen in das Fettgewebe von gesunden, schlanken Mäusen. Das Ergebnis: Innert weniger Tage entwickelten die betreffenden Tiere die gleichen Entgleisungen des Zuckerstoffwechsels wie ihre adipösen Artgenossen.
Ähnlich wie bei Letzteren gelang es zudem, die metabolischen Störungen mit einer Fisetin-Therapie zu bessern. Keine Veränderungen des Zuckerhaushalts beobachteten Kirkland und sein Team demgegenüber bei schlanken Mäusen, denen sie gesunde Endothelzellen in das Fettgewebe implantiert hatten.
Ob Fisetin und andere Senolytika beim Menschen vergleichbar günstige Wirkungen entfalten, ist noch offen. Laut einer weiteren Studie des amerikanischen Forscherteams könnte die Behandlung mit solchen Longevity-Mitteln unter bestimmten Umständen etwas bringen – und zwar dann, wenn die Last an gealterten Zellen besonders hoch ist.
Das Prinzip Hoffnung als Geschäftsmodell
Werden solche Zellen in der Jugend noch effizient entsorgt, häufen sie sich mit fortschreitendem Alter zunehmend im Körper an und bombardieren diesen mit Entzündungsstoffen. Das Team der Mayo Clinic wollte dabei klären, ob diese toxischen Zellen zur altersbedingten Knochenauszehrung beitragen und wie sich eine Behandlung mit Senolytika auf diesen Prozess auswirkt.
Hierzu verfolgten sie den Gesundheitszustand von 60 älteren Frauen, die 20 Wochen lang zur Hälfte mehrmals hintereinander zwei Senolytika erhalten hatten – und zwar den Pflanzenstoff Quercetin und das ursprünglich zur Krebstherapie entwickelte Medikament Dasatinib – und zur anderen Hälfte nicht.
Wie sie im Fachblatt «Nature Medicine» schreiben, hatte die Anwendung der Senolytika nur bei jenen rund 20 Frauen einen messbaren Effekt, deren Organismus besonders viele seneszente Zellen enthielt. Bei diesen Probandinnen konnten die Mittel den Abbau von Knochensubstanz geringfügig verlangsamen und den Aufbau von neuem Knochengewebe etwas ankurbeln. Das Ergebnis der Therapie war allerdings weitaus weniger beeindruckend als in den vorausgegangenen Mausstudien.
Die Erkenntnisse der amerikanischen Wissenschafter führen einmal mehr vor Augen, dass sich Beobachtungen bei Tieren nur bedingt, wenn überhaupt, auf den Menschen übertragen lassen. Das gilt freilich nicht nur für Senolytika, sondern auch für alle anderen Mittel, die in Longevity-Kreisen zur Verlangsamung der Lebensuhr bereits heute intensiv genutzt werden.
So gibt es bis anhin für keine dieser Verbindungen Belege, dass sie beim Menschen die gleichen lebensverlängernden und gesund erhaltenden Wirkungen entfalten wie bei Fliegen, Würmern und Nagern. Das Prinzip Hoffnung ist allerdings ein gutes Geschäft, auch ohne wissenschaftliche Evidenz. Laut den Berechnungen von Analysten wächst der Longevity-Markt derzeit zweistellig und könnte im Jahr 2035 bereits bei 60 Milliarden Dollar liegen.