Sonne, Wind und Wasser
In der Schweiz entstehen etwa 25 Prozent der Treibhausgasemissionen im Strassenverkehr, gefolgt von 20 Prozent im Flugverkehr und 15 Prozent in Gebäuden. Der Schlüssel liegt laut Christian Schaffner, Direktor des Energy Science Center der ETH Zürich, in der Elektrifizierung von Wärme und Mobilität: Statt mit Öl heizen wir künftig mit Wärmepumpen, statt mit Benzin fahren wir mit elektrischer Energie. Dadurch werden der Wärme- und der Verkehrssektor mit dem Stromsystem verknüpft, wir sprechen von Sektorkopplung.
Das Besondere: Obwohl so der Stromverbrauch steigt, sinkt der Gesamtenergiebedarf deutlich. Der Grund ist die hohe Effizienz dieser neuen Technologien. Wärmepumpen und Elektroautos brauchen deutlich weniger Energie als Ölheizungen und Benzinmotoren.
Ausserdem: Die Schweiz bezieht heute rund 70 Prozent ihrer Energie aus dem Ausland. Wenn wir nun also Heizöl und Treibstoffe durch Strom ersetzen, sind wir deutlich weniger abhängig und müssen weniger importieren. Damit die Rechnung mit der Klimaneutralität jedoch aufgeht, muss der zusätzliche Strom aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Die Schweiz setzt dabei insbesondere auf Wasserkraft und baut diese weiter aus. Zudem spielt in den kommenden Jahrzehnten der Ausbau von Photovoltaik, also Solaranlagen, sowie Windkraft eine entscheidende Rolle.
Energiespeicher gefragt
Doch die Sonne scheint nicht immer, und der Wind weht unregelmässig. Damit wir trotzdem jederzeit heizen, duschen, kochen, unser Smartphone laden und Auto fahren können, brauchen wir Energiespeicher. Und genau hier zeigt sich die doppelte Stärke von Elektroautos und Wärmepumpen.
Die Autobatterie kann dann geladen werden, wenn die Sonne scheint, und das Auto fährt später. Die Wärmepumpe erzeugt Wärme bei Sonnenschein und speichert sie in einem Wassertank – zum Heizen oder Duschen am Abend. Durch diese Flexibilität kann die schwankende Stromproduktion aus erneuerbaren Energien ausgeglichen werden. Zusätzliche Versorgungssicherheit liefern die bereits etablierten Wasserkraftwerke und ihre Speicher.
Ein weiterer Hebel für ein stabiles Energiesystem und eine sichere Stromversorgung ist der Stromhandel. Bereits heute kaufen und verkaufen wir täglich Strom vom und ans europäische Ausland. Durch die Sektorkopplung und den damit zunehmenden Bedarf an Strom wird dieser Handel noch zunehmen. Dies ist nicht nur aus versorgungstechnischer Sicht sinnvoll, sondern auch aus wirtschaftlicher: Wir kaufen Strom günstig ein, wenn in Europa gerade viel davon vorhanden ist, speichern ihn in unseren Speicherkraftwerken und verkaufen ihn später teurer, wenn er knapp wird.
Die Energiewende ist also machbar. Die Technologien sind da, die Finanzierung möglich, das Wissen vorhanden. Warum handeln wir also nicht? Diese Frage lässt sich weniger leicht beantworten als die Frage nach dem Wie. Zahlreiche Faktoren spielen eine Rolle. Das Thema ist komplex, die Dringlichkeit wird noch nicht ausreichend wahrgenommen, es fehlt an Einigkeit darüber, was konkret getan werden kann, soll, muss. Dazu kommen wirtschaftliche Interessen und Lobbying, beispielsweise der Ölindustrie.
Klimaschutz ja, aber
Dass sich etwas ändern muss, steht angesichts der rasanten Klimaveränderungen ausser Frage. Extremwetterereignisse werden immer häufiger, wie Reto Knutti, Professor am Institut für Atmosphäre und Klima an der ETH Zürich, voraussagt. In den Alpen bekommen wir das schon heute besonders zu spüren. Wie die Schweiz zukünftig aussehen wird, ermitteln Expertenteams anhand von Klimamodellen und verschiedenen Szenarien. Auch wenn die Zusammenhänge komplex sind, wissen wir Knutti zufolge eines sicher: Um negative Auswirkungen und Naturgefahren wie etwa den Bergsturz in Blatten vom Mai dieses Jahres zu verringern, müssen wir so schnell wie möglich klimaneutral werden.
Das Problem ist nur: Kurzfristig und aus individueller Perspektive wirkt es oft einfacher oder bequemer, alles beim Alten zu lassen. Veränderungen lösen bei vielen Menschen Unsicherheit aus. So entsteht häufig die Haltung: Klimaschutz ja, aber lieber nicht hier, nicht so, nicht jetzt und nicht unbedingt ich.
Die Wissenschaft liefert die Zahlen und Fakten. Nun müssen Politik, Medien, Industrie und Bevölkerung zusammenarbeiten, um vom Wissen ins Handeln zu kommen. Erforderlich ist ein Dialog, damit der Wandel uns als Gesellschaft nicht spaltet, sondern eint. Gefragt sind hier vor allem Forschung, Wissenschaft und Bildung: Sie können einen konkreten Beitrag zum Verständnis der Energiewende leisten, indem ihre Erkenntnisse der Öffentlichkeit vermittelt und laufende Debatten versachlicht werden. Genau dies hatte der ETH Treffpunkt Science City 2025 zum Ziel.