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Klimaschutz: Unternehmen überholen die Politik

Thermoplan in Weggis investiert in erneuerbare Energien: Photovoltaikanlage auf dem Dach des Shuttle-Lagers (rechts im Bild). Foto: PD

Klima & Energie Wirtschaft Partner Inhalt: economiesuisse

Klimaschutz: Unternehmen überholen die Politik

Das Ziel ist ambitioniert: Um die globale Klimaerwärmung nachhaltig zu bremsen, sollen bis 2050 Treibhausgase auf netto null heruntergefahren werden. Immer mehr Schweizer Unternehmen forcieren ihre Anstrengungen – und agieren oft schneller als die Politik. Sie erhalten dabei wertvolle Unterstützung durch Experten.

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Innerhalb der nächsten drei Jahrzehnte sollen Wirtschaft und Gesellschaft unter dem Strich keine Treibhausgase mehr emittieren, so das Ziel der internationalen Klimapolitik. Allerdings: Die Welt ist nicht auf Kurs. Und die Schweiz? Sie habe sich zwar ebenfalls zu «Netto-Null» verpflichtet, aber ihre Klimapolitik wirke orientierungslos, bemängeln Kritiker. Erst wurde das mühsam auf den Weg gebrachte CO2- Gesetz vom Stimmvolk abgelehnt, dann ein Referendum gegen den Kompromissvorschlag zur sogenannten Gletscherinitiative lanciert. Kein Wunder, dass sich ein Klimaexperte wie Reto Knutti, Professor an der ETH Zürich, enttäuscht zeigt. Seine Hoffnung ruht auf dem Pioniergeist vieler Unternehmen, wie er 2022 in einem Interview der «NZZ am Sonntag» erklärte. «Die Wirtschaft ist der Klimapolitik voraus», so sein Eindruck. Tatsächlich haben sich bereits 70 Prozent der SMI-Unternehmen konkrete Klimaziele gesetzt oder entsprechende Commitments abgegeben, um ihren Ausstoss von Treibhausgasen in der ganzen Wertschöpfungskette bis spätestens 2050 auf Netto-Null zu senken. So soll die fortschreitende Erderwärmung unter 1,5 Grad gehalten werden.

Dabei ist nicht zu übersehen, dass zunächst Grossunternehmen und in deren Lieferketten auch die KMU gewaltig unter Druck stehen. Eng verflochten mit globalen Lieferketten, sehen sich die Unternehmer heute massiver denn je herausgefordert, den Weg zur Dekarbonisierung konsequent zu beschreiten und den zunehmenden internationalen Vorgaben und Regularien zu entsprechen. Wer nicht mitzieht, läuft Gefahr, Investoren zu verprellen, Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, sogar von der Lieferantenliste seiner Kunden gestrichen zu werden. In dieser Situation gehen viele Unternehmen mit Eigeninitiativen voran. Hier werden drei von ihnen vorgestellt.

Modell für Zielvereinbarungen

Um nachhaltige Beiträge an das Netto-Null-Ziel im Unternehmen leisten zu können, hat die Energie- Agentur für Wirtschaft (EnAW) schon vor 20 Jahren ein eigenes Modell für Zielvereinbarungen entwickelt. «Schon seit über 20 Jahren setzen wir gemeinsam mit den Unternehmen auf wirtschaftlichen Klimaschutz», erklärt Co-Geschäftsführer Thomas Weisskopf. Mehr als 100 Beraterinnen und Berater der EnAW begleiten Unternehmen auf ihrem Weg zu weniger CO2, weniger Kosten und mehr Energie- und Ressourceneffizienz.

Das Modell für das drei- bis sechsmonatige Verfahren der Zielbildung mit anschliessendem jährlichen Monitoring folgt einem klaren Reglement und bietet finanzielle Anreize. Mit Unterstützung der EnAW werden zunächst sämtliche Prozesse und Einrichtungen eines Betriebs im Rahmen eines Energie-Check-ups durchleuchtet, danach Potenzialanalysen erstellt und schliesslich ein Massnahmenkatalog ausgearbeitet.

Mehr als 4000 Unternehmen mit gut 8000 Betriebsstätten haben bisher über die EnAW Zielvereinbarungen mit dem Bund unterzeichnet. Das deckt etwa 50 Prozent des CO2- Ausstosses aller Schweizer Industrie- und Dienstleistungsunternehmen ab. Investiert haben die Firmen dabei rund neun Milliarden Franken – und das zeigt Wirkung: Der CO2-Ausstoss der beteiligten Unternehmen ging im Vergleich zum Basisjahr 2001 um 30 Prozent zurück. Eine echte «Erfolgsstory», so Weisskopf, liefere die Industrie: Sie habe als einziger Sektor der Schweiz die internationalen Klimaziele noch übertroffen: mit –35 Prozent CO2-Emissionen in der Zeit von 1990 bis 2020 (exkl. Abfallverwertung).

Roadmap zur Dekarbonisierung

So manchem CEO dürfte die angepeilte Dekarbonisierung den Schlaf rauben: Was muss ich alles im Betrieb aufgleisen, um die Klimaziele zu erreichen und weiterhin ökonomisch erfolgreich zu sein? «Die Herausforderungen sind enorm. Damit wächst auch das Bedürfnis nach einem tragfähigen Umsetzungsplan zur Dekarbonisierung», so Thomas Weisskopf. Die Roadmap, die die EnAW entwickelt hat, ist kein Einheitsprodukt von der Stange. «Als Berater müssen wir die Bedürfnisse und Machbarkeiten im jeweiligen Unternehmen verstehen und auf sie eingehen», so Weisskopf. «Die Herausforderung liegt darin, alle relevanten technischen, wirtschaftlichen und sonstigen Aspekte genau zu erfassen und eine Gesamtlösung zu entwickeln, die auch realistischerweise umgesetzt werden kann.»

Dabei sei das Bekenntnis zum Endziel «Netto- Null» in den allermeisten Fällen der erste wichtige Schritt, erklärt Weisskopf. Das Management muss ein klimaneutrales Wirtschaften wirklich wollen. Denn eine Roadmap geht deutlich weiter als eine Zielvereinbarung. Im Fokus stehen hier nicht nur die Emissionen, die ein Unternehmen selbst verursacht beziehungsweise in Form eingekaufter Energie generiert (Scope 1 und 2 gemäss dem Standard «Greenhouse Gas Protocol»), sondern auch die indirekten Emissionen, die in der Wertschöpfungskette – sprich: bei den Zulieferern – entstehen (Scope 3). Die EnAW will es den Unternehmen möglichst leicht machen und hat webbasierte Tools entwickelt, die den Prozess von A bis Z digital unterstützen.

Science Based Targets initiative

Trotz messbarer Erfolge ist der Weg zu Netto-Null immer noch weit und steinig. Dieses Ziel wurde im Pariser Klimaabkommen zur Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad nicht willkürlich festgelegt, sondern basiert auf anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen, ist also «science-based ». Der Bund hat dazu Absenkpfade für Emissionen definiert, die ebenfalls ambitioniert sind, aber nur die internationale «Science Based Targets initiative » (SBTi), die 2015 von Unternehmen, dem WWF und weiteren Organisationen gegründet wurde, ist mit dem 1,5-Grad-Ziel konform. SBTi fordert eine reglementierte Kurz- und Mittelfristplanung und eine regelmässige Klimabilanzierung. Die Initiative wird in der Schweiz unter anderem vom Dachverband der Wirtschaft, economiesuisse, unterstützt. Hierzulande haben sich bis Ende 2022 bereits über 100 Unternehmen freiwillig ein wissenschaftsbasiertes Klimaziel nach SBTi gesetzt. Das ist ein grosser Schritt: Nimmt man alle geschätzten Emissionen der Schweizer Unternehmen zusammen, die sich unter SBTi verpflichtet haben, kommt man auf Einsparungsverpflichtungen von 450 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr – ein Zehnfaches der gesamten Inlandsemissionen des Landes.

So sagt auch Alexander Keberle, Bereichsleiter Energie und Umwelt bei economiesuisse: «Die Eigeninitiative der Unternehmen ist sehr ambitioniert. Wir sind beeindruckt, wie sie hier Gas geben.»

Leuchturmprojekt Thermoplan

Ein Unternehmen, das sich auf die strengen Kriterien der SBTi eingelassen hat, ist Thermoplan in Weggis LU. Der Hersteller von Kaffeevollautomaten ist ein Vorzeigebeispiel auch für andere Mittelständler. Vor zwei Jahren startete das Projekt. «Seitdem haben wir unsere Treibhausgasemissionen in der gesamten Wertschöpfungskette systematisch erfasst, darunter die Daten von 300 Zulieferern, und einen eigenen CO2- Reduktionsplan aufgestellt», erläutert Matteo Trachsel, Head of Sustainability des Unternehmens. Die grössten Emissionen fallen beim Stromverbrauch der Kaffeeautomaten selbst an, bei den Produktmaterialien, in der Vertriebslogistik und durch die Mobilität der Mitarbeitenden. Bei diesen Treibern wird man ansetzen, um die Emissionen nach SBTi zunächst bis 2030 um die Hälfte zu senken und bis 2050 auf mindestens 90 Prozent. Das restliche CO2 muss laut SBTi durch Speicherung oder andere Methoden beseitigt und nicht nur kompensiert werden.

2023 will man in Weggis den Stromverbrauch für den Werksbetrieb um 20 Prozent drosseln und durch eine weitere Photovoltaikanlage den Anteil an «Grünstrom» erhöhen. Bei den Kaffeemaschinen soll eine smarte Stand-by-Funktion aus dem eigenen Innovation-Center den Energieaufwand um 40 Prozent senken. Ganz wichtig, so Trachsel, sei die Einbindung der Mitarbeitenden. Sie können bei Thermoplan alle aktuellen Daten via interaktives Dashboard verfolgen. Für die Kunden und die Öffentlichkeit werden die Emissionen unter report. thermoplan.ch in einem «Product Environmental Report» veröffentlicht. Ganz nach der Devise: Nachhaltigkeit geht alle an.

Deklaration: Dieser Inhalt wurde vom Sustainable Switzerland Editorial Team im Auftrag von economiesuisse erstellt.

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