Die Systemkosten von Solarstrom sind jedenfalls hoch. Man muss das Netz ausbauen, wenn immer mehr Strom dezentral hergestellt wird, und zuweilen sogar die Einspeisung stoppen, um eine Überlastung abzuwenden.
Dazu kommt, dass die Erlöse von Solarstrom am Markt oft gering sind. Das hat damit zu tun, dass Solarstrom gehäuft im Sommer anfällt, wenn die Nachfrage vergleichsweise niedrig ist und zudem in ganz Europa die Sonne scheint. Entsprechend gering ist die Wertigkeit dieser Elektrizität.
Wenn man all dies berücksichtigt, ist Strom vom Dach kaum wirtschaftlich: Die sozialen Kosten sind jedenfalls viel höher als die privaten. Es bedarf deshalb hoher Subventionen, damit in grossem Stil Solarmodule installiert werden.
2. Falscher Hype um alpine Solaranlagen
Jüngst galten alpine Solarkraftwerke als Hoffnungsträger der Energiewende. Doch laut den Berechnungen der Axpo sind sie meist gar noch unwirtschaftlicher als Solarmodule auf Dächern.
Es ist teuer, Solaranlagen im Gebirge zu montieren und zu warten. Zudem sind der Anschluss ans Stromnetz und der Transport ins Mittelland eine Herausforderung. Dass alpine Solaranlagen die Hälfte des Stroms im Winter produzieren, verbessert zwar die Erlöse, vermag aber die höheren Baukosten nicht wettzumachen. Der Blick auf den «Power Switcher» macht klar, weshalb der Gesetzgeber exorbitant hohe Subventionen bis zu 60 Prozent an die Investitionskosten ins Gesetz geschrieben hat.
Viel günstiger schneiden grosse Solaranlagen auf Freiflächen im Mittelland ab. Ihre Investitionskosten pro installiertes Kilowatt Leistung sind im Vergleich zu alpinen Anlagen nur ein Drittel so hoch. Dachanlagen sind im Bau immer noch doppelt so teuer wie Freiflächenanlagen. Doch ausgerechnet solche Anlagen sind bis jetzt in der Schweiz wegen des befürchteten Landverschleisses tabu.
3. Das Potenzial von Windenergie wird unterschätzt
Eines ist in den Szenarien unstrittig: Unschlagbar günstig in der Stromproduktion sind die bestehenden Kernkraftwerke sowie die Wasserkraft. Sie verdienen in allen Szenarien Geld. Danach folgt in den Axpo-Berechnungen bereits die Windkraft – und nicht die Solarenergie. Windenergie kommt in diversen Szenarien ohne Subventionen aus.
Windturbinen produzieren zwei Drittel des Stroms im Winter, also in Monaten, in denen Elektrizität besonders wertvoll ist. In Europa stehen mittlerweile 100 000 Windturbinen. Die Technologie ist also längst erprobt. Die Axpo geht in ihrem Szenario, das 2050 ganz auf erneuerbare Energien setzt, von 1200 Windturbinen in der Schweiz aus, womit ein Drittel des Potenzials ausgeschöpft würde. Der Weg dorthin ist allerdings sehr steinig. Derzeit sind es nämlich erst 47.
4. Sonne und Wind brauchen Gaskraftwerke als Back-up
Bei einer Dunkelflaute, wenn also kein Wind weht und es neblig ist, müssen Gaskraftwerke in die Bresche springen, sofern 2050 keine Kernkraftwerke mehr zur Verfügung stehen.
Die Gaskraftwerke würden dabei nicht mit Erdgas, sondern mit grünem Methan betrieben, das aus Wasserstoff und CO2 gewonnen wird. Der Wasserstoff wird zuvor durch Elektrolyse hergestellt, für die Strom aus Solaranlagen genutzt wird. Damit wird aber das Importproblem eigentlich nur verlagert: Zwar führt die Schweiz weniger Strom aus den Nachbarstaaten ein, dafür braucht sie aber in grossem Stil grünes Methan, das zum Beispiel aus den Maghrebstaaten oder dem Nahen Osten kommen könnte.
5. Radikale Landschaftsschützer verhelfen der Kernkraft zu einem Comeback
Besonders der Windkraft schlägt oft ein starker lokaler Widerstand entgegen, so dass sich Projekte über fünfzehn oder mehr Jahre hinziehen, wenn sie überhaupt zustande kommen. Hat der Landschaftsschutz absolute Priorität, werden auch keine grossen Solaranlagen gebaut, ob im Gebirge oder im Flachland. Damit verbleiben nur die Module auf den Dächern, die wie gesagt eine teure Erzeugungsart sind.
Will man trotzdem eine verlässliche Stromversorgung, ohne sich auf hohe Importe von Strom oder Wasserstoff zu verlassen, kommt man um neue Kernkraftwerke nicht herum.
Und auch da bieten die Axpo-Berechnungen eine Überraschung: Neue Kernkraftwerke schneiden besser ab als Solarstrom vom Dach oder aus den Alpen, sofern man die sozialen Kosten einbezieht.
Kernenergie liefert konstant Strom, gerade auch im Winter. Die Baukosten werden von der Axpo bei 8100 Euro je Kilowatt Leistung angesetzt, dies entspricht Werten aus Projekten in Frankreich oder Grossbritannien. Im Fall des finnischen AKW in Olkiluoto, das seit April Strom liefert, waren es knapp 7000 Euro je Kilowatt. Wenn man nun 2050 zwei neue Kernkraftwerke in der Grösse von Leibstadt in der Schweiz hätte, könnte die Schweiz ihren Winterbedarf weitgehend selbst decken. Reservekraftwerke wären unnötig.
Neue Atomkraftwerke müsste man heute planen, wenn sie in den 2040er Jahren Strom produzieren sollen. Denn bis zur Betriebsaufnahme dauert es ein bis zwei Jahrzehnte – ganz abgesehen davon, dass ein Neubau nach derzeitigem Stand der Gesetze verboten ist.
Die Herausforderung, vor der die Schweiz steht, lässt sich an einem einfachen Vergleich illustrieren. Ein neues grosses Kernkraftwerk liefert 10 Terawattstunden Strom pro Jahr. Man müsste sage und schreibe 625 alpine Solarkraftwerke im Ausmass von Gondosolar bauen, um gleich viel Strom zu bekommen, der dann erst noch unregelmässig anfiele. Dabei handelt es sich bei Gondosolar um das derzeit am weitesten fortgeschrittene Projekt dieser Art in den Walliser Bergen.
Die Axpo-Berechnungen zeigen somit zweierlei: Erstens ist es keine gute Idee, mit einem Technologieverbot eine umfassende Dekarbonisierung in Angriff nehmen zu wollen. Und zweitens setzt die Schweiz bei den Erneuerbaren ausgerechnet auf Arten von Solarstrom, die volkswirtschaftlich einen hohen Preis haben.