Nun haben die Anforderungen erneut zugenommen, weshalb die Dienstabteilung Entsorgung und Recycling Zürich einen neuen Kübel bestellt und diesen teilweise gleich selbst entworfen hat. Wie beim "Züri-Kübel" zuvor gab es keinen Designwettbewerb. Das ist eine Verarmung für die Schweizer Designkultur.
Der neue "Recycling-Behälter" – so die offizielle Bezeichnung – wurde entwickelt, damit die Zürcherinnen und Zürcher nachhaltiger entsorgen können. Es gibt separate Einwürfe für PET-Flaschen, Aludosen und Abfall. Bei Bedarf kann eine vierte Abfallart hinzugefügt werden, beispielsweise Glas. Das hilft der Kreislaufwirtschaft.
Doch konstruiert ist der Eimer konventionell: Eine generische Box aus Metall mit abgerundeten Ecken. Umweltfreundlich heisst hier vor allem: Es wurde wenig Energie für eine gute Gestaltung verschwendet. Dabei wäre diese Energie nachhaltig eingesetzt: Ansprechendes Design hält lange, weil es die Zeit überdauert und beliebt ist.
Empirisch begründete Gestaltung
Der Eimer ist inspiriert vom SBB-Multikübel, der seinen dreckigen Inhalt nach aussen zeigt mit Bildern. Dabei ist ein Mülleimer doch gerade dazu da, Dinge verschwinden zu lassen, die man nicht sehen möchte. Die Gestaltung sei empirisch begründet, argumentiert die Stadt. Sie hat drei Beschriftungen getestet: eine mit Fotos der jeweiligen Abfallart, eine mit Illustrationen und eine mit Fragen wie zum Beispiel: "Ist es wirklich PET" "Die Trennqualität war bei der Beschriftung mit Fotos am besten", schreibt die Stadt in einer Medienmitteilung.
Das mag sein. Doch effektiver Umweltschutz sollte uns auch ästhetisch ansprechen, gerade im öffentlichen Raum. Das Auge trennt mit. Die Ökobilanz misst sich in Zahlen, die Qualität von Design nicht. Die Form folgt der Funktion – und der Phantasie. Gutes Design kann uns dazu ermuntern, das Richtige zu tun. Wenn uns aber schon die Gestaltung eines Mülleimers abstösst, geschweige denn dessen Inhalt, wie soll dieser die Recyclingquote erhöhen?
Das Stadtmobiliar gehört zum Kulturgut, es ist ein Teil der Geschichte und Identität eines Ortes. Gelungenes Alltagsdesign löst etwas in uns aus, bisweilen ist es von einer Prise Humor begleitet wie zum Beispiel in Berlin. Die orangen Kübel in der deutschen Hauptstadt sind zwar unpraktisch klein, doch ihre knallige Farbe, die runde Form und der Sprachwitz beim Einwurf heitern den Alltag auf. Dort stehen Sätze wie: "Gib’s mir!" Oder: "Spiel mir das Lied vom Kot." Das didaktische Bürokratendesign des Zürcher Kübels hingegen will belehren statt erfreuen, selbst beim Humor: "Sie treffen ja wie eine Weltmeisterin!", steht auf einem Schild an der Seite.